Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. keine wiederkehrende Beratungspflicht der Prüfgremien vor einem Regress. quartalsweise Prüfung der Wirtschaftlichkeit. Entscheidungen der Prüfgremien. kein Präjudiz für nachfolgend geprüfte Quartale
Leitsatz (amtlich)
1. Prüfgremien haben keine mehrmalige Beratungspflicht vor einem Regress ärztlich erbrachter Einzelleistungen.
2. Die Wirtschaftlichkeit ärztlich erbrachter Leistungen wird quartalsweise geprüft, so dass Entscheidungen der Prüfgremien für ein Quartal kein Präjudiz für nachfolgend geprüfte Quartale entfalten.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 25. Mai 2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 53.352 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Regress für die Abrechnung von Gesprächsleistungen.
Die Klägerin war jedenfalls in den Jahren 2006 und 2007 in einer Gemeinschaftspraxis mit Herrn E in N vertragsärztlich tätig. Die Klägerin und Herr E waren als Gemeinschaftspraxis Adressaten der Beratungen der Gemeinsamen Prüfungseinrichtung der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein (Kammer Prüfung Honorar) vom 20. Oktober 2006 für das Quartal I/2006 und vom 7. Februar 2007 für die Quartale II/2006 und III/2006 über eine unwirtschaftliche Abrechnung. Die Fallwerte der Praxis für Beratungen und Untersuchungen der Gebührenordnungspositionen (GOPen) 03001 und 03120 (63,83 Euro bzw 72,37 Euro) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) waren etwa doppelt so hoch wie die diesbezüglichen Fallwerte im Gruppendurchschnitt (33,54 Euro bzw 32,35 Euro). Zwischen den Daten der zu prüfenden Praxis und denen des Gruppendurchschnitts bestehe ein offensichtliches Missverhältnis, wenn ua hinsichtlich einzelner GOPen eine Überschreitung des zweifachen Gruppenvergleichswerts vorliege. Auffällig seien die Abrechnungen der GOP 03001 (Koordination der hausärztlichen Betreuung mit mindestens einer der nachfolgenden - gelisteten - Indikationen) und 03120 (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten, je vollendete 10 Minuten), die zu einer schriftlichen Beratung auf die Sparte Betreuungs- und Untersuchungsleistungen, insbesondere die höhere Ansatzfrequenz der Position 03001, führe.
Ab 2010 nahm die Klägerin in H als Ärztin für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Beigeladene zu 7. ordnete sie der Vergleichsgruppe Hausärzte zu.
Eine für die Quartale I/2011 bis II/2013 und III/2013 eingeleitete Einzelleistungsprüfung der GOPen 35100 und 35110 EBM (Mitteilung vom 11. Februar 2014) wurde wegen einer parallel von der Beigeladenen zu 7. durchgeführten Plausibilitätsprüfung für die Quartale II/2011 bis III/2014 ruhend gestellt und - nach dortigem Abschluss und Kürzung von Leistungen (GOP 35100 EBM um 50 vH und GOP 35110 EBM um 30 vH) - mit Entscheidung der Prüfungsstelle vom 25. November 2015 eingestellt. Es hieß dort: „Zwar werden auch nach Durchführung der vorbeschriebenen Maßnahme überdurchschnittliche Ansatzfrequenzen ausgewiesen, dennoch sieht die Prüfungsstelle nach der sachlich-rechnerischen Korrektur keinen Anlass für eine weitergehende Wirtschaftlichkeitsprüfung“.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2017 informierte die Prüfstelle der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein (Prüfstelle) die Klägerin darüber, dass die Anzahl der abgerechneten GOPen 35100 EBM (Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände) und 35110 EBM (Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen) in den Quartalen IV/2014 bis III/2015 den doppelten Fachgruppendurchschnitt überschritten hätten. Die Klägerin teilte mit, die Praxis mit dem Schwerpunkt in der Betreuung psychosomatischer Erkrankungen im Jahr 2010 übernommen und fortgeführt zu haben sowie als weiteren Schwerpunkt Patienten mit palliativmedizinischem Ansatz zu behandeln. Beide Schwerpunkte bedingten die überdurchschnittlich häufige Erbringung und Abrechnung von Gesprächsleistungen und sei eine zu berücksichtigende Praxisbesonderheit. Die psychotherapeutische Versorgung in N1 sei nicht hinreichend, was sie in ihrer Praxis aufgefangen habe, bis eine Psychotherapie habe begonnen werden können (Schreiben vom 22. März 2017).
Mit Bescheid vom 10. Juli 2017 setzte die Prüfstelle Prüfabstriche von den GOPen 35100 und 35110 EBM für die Quartale IV/2014 bis III/2015 iHv insgesamt 24.457,73 Euro fest. Gegen den am 11. Juli 2017 zugestellten Bescheid legte die Klägerin am 29. Juli 2017 Widerspruch ein. Bei der Festsetzung des Regresses sei die Regelung des § 43 Prüfvereinbarung 2016 nicht bedacht worden. Die vorgebrachte Besonderheit palliativmedizinischer Betreuung todkranker und sterbender Menschen und deren B...