rechtskräftig: nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit; haftungsbegründende Kausalität; maximale Raumluftkonzentration; Durchschnittsbelastung
Leitsatz (amtlich)
Für eine Berufskrankheit nach Nr. 1302, 1310 der Anlage 1 zur BKVO fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität, wenn die Messwerte der maximalen Raumluftkonzentration die Durchschnittsbelastung der Bevölkerung mit Schadstoffen nicht überschreiten.
Normenkette
RVO § 551; BKVO Anlage 1 Nrn. 1302, 1310
Verfahrensgang
SG Lübeck (Entscheidung vom 22.04.1999; Aktenzeichen S 3 U 231/95) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 22. April 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin wegen einer Berufskrankheit zu entschädigen ist.
Die 19… geborene Klägerin arbeitete vom 18. Oktober 1978 bis 21. Oktober 1987 als Raumpflegerin 20 Stunden in der Woche im Gemeindezentrum der … Kirchengemeinde G. in N. Dort kam es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Mitarbeitern und Kindern, worauf die Kirchengemeinde Untersuchungen der Raumluft durch den Technischen Überwachungsverein Norddeutschland e. V. und die ERGO-Forschungsgesellschaft GmbH, H., veranlasste. Die Raumluftmessung vom 12. bis 14. Januar 1987 ergab eine Konzentration von 0,06 pg/Nm³ für Dioxine und Furane, andere Stoffe waren oberhalb der Nachweisgrenze nicht feststellbar. In einem weiteren Bericht der Forschungsgesellschaft vom 16. April 1987 wurde festgestellt, dass die Holzverkleidungen des Kindergartens Wirkstoffe aufwiesen, die für die Behandlung mit pentachlorphenol- und lindanhaltigen Holzschutzmitteln typisch waren.
Der Arbeitgeber der Klägerin erstattete am 2. Juni 1987 eine Unfallanzeige wegen eventueller Vergiftung durch Holzschutzmittel und Ausgasungen aus den Abwässern. Eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit erfolgte durch den praktischen Arzt F. am 31. Oktober 1987. Bei Beschwerden der Klägerin in Form von Kopfschmerzen, Schwindel und Erschöpfung diagnostizierte er ein neurotoxisches Frontalhirnsyndrom beidseits mit kortikaler Atrophie und eine schwere zelluläre Immunschädigung, die er auf die Inhalation von schadstoffbelasteter Raumluft zurückführte.
Die Beklagte zog Befundberichte von dem Radiologen Dr. B. vom 8. Februar 1988 und 29. September 1987, den praktischen Ärzten Dres. K. vom 1. April 1988 und dem praktischen Arzt F. vom 3. März 1990 bei. Sie verschaffte sich ferner Unterlagen über epidemiologische Studien zu den Folgen der Exposition gegenüber Holzschutzmitteln von Dr. K., an denen die Klägerin teilgenommen hatte. Schließlich zog sie medizinische Unterlagen der Verwaltungs-BG bei und holte die Stellungnahmen von Dr. K. vom 16. März 1994 und dem Gewerbearzt vom 7. Juli 1994 ein. Im Ergebnis verneinten beide das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 und 1310 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO).
Mit Bescheid vom 5. Oktober 1994 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit und Entschädigungsleistungen ab. Zur Begründung führte sie aus: Die Klägerin sei an ihrem Arbeitsplatz zwar chemischen Einwirkungen durch Stoffe im Sinne der Berufskrankheiten 1302/1310 der Anlage 1 zur BKVO ausgesetzt gewesen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Einwirkungen und den Gesundheitsstörungen der Klägerin könne jedoch nicht festgestellt werden, da sich bei der Klägerin keine Hinweise für ein organisch begründetes bzw. psychopathologisches Krankheitsbild als typisches Schädigungsmuster gefunden habe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28. September 1995 als unbegründet zurück.
Am 30. Oktober 1995 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Sie leide unter Gesundheitsstörungen in Form von Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, nächtlichen Parästhesien in den Extremitäten, Schwindel, Erschöpfung, einer PCDD/PCDF-spezifischen neurotoxischen Schädigung der Hirnareale 10, 9, 8, 6 a-beta und 6 a-alpha beiderseits mit gering bis mäßiggradiger Atrophie des frontalen Cortex und immuntoxisch oder neuroimmunologisch vermittelter zellulärer Immunschädigung. Diese Gesundheitsstörungen seien auf die Schadstoffeinwirkung während der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit zurückzuführen. Diese Ansicht werde bestätigt durch den Arzt F., der insbesondere auch die Ergebnisse der SPECT-Untersuchung hinreichend gewürdigt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen einer Berufskrankheit nach Ziffer 1302, 1310 bzw. 1317 der Anlage 1 zur BKVO, hilfsweise wegen einer Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs. 2 RVO Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie a...