Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung der Ansprüche auf Auffüllung des Stammkapitals bei wirtschaftlicher Neugründung einer GmbH
Leitsatz (amtlich)
1. Auf die Verjährung von Ansprüchen auf Auffüllung des Stammkapitals bei wirtschaftlicher Neugründung einer GmbH sind die Bestimmungen über die Verjährung der Ansprüche auf erstmalige Aufbringung des Stammkapitals, sondern die Grundsätze über die Verjährung einer Unterbilanzhaftung anzuwenden.
2. Zu den Voraussetzungen der Annahme einer wirtschaftlichen Neugründung.
Normenkette
GmbHG §§ 5, 7, 9, 19; EGBGB Art. 229 § 12
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 17.01.2006; Aktenzeichen 11 O 86/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.1.2006 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen II des LG Lübeck - 11 U 86/05 - abgeändert:
Das Versäumnisurteil der Kammer für Handelssachen II des LG Lübeck vom 15.11.2005 - 11 U 86/05 - werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten verursachten Kosten, welche dieser zur Last fallen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, jedoch kann der Kläger die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht vor Beginn der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Ebenso kann die Beklagte die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht vor Beginn der Vollstreckung der Kläger Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, gemäß Beschluss des AG R. vom 5.10.2004 - 8 IN 294/04 AG R. - Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. F. GmbH (im Folgenden Schuldnerin) begehrt mit seiner im Jahre 2005 erhobenen Klage von der Beklagten die Zahlung eines Stammeinlagenanteils.
Die durch Gesellschaftsvertrag vom 22.6.1970 mit Sitz in H. gegründete und zunächst in das Handelsregister beim AG H. unter HRB 13533 eingetragene Schuldnerin betrieb anfänglich eine Seehafenspedition. Das seinerzeitige Stammkapital betrug 20.000 DM. Nach Übernahme der Anteile des zunächst weiteren Gründungsgesellschafter H. F. erhöhte der Alleingesellschafter W. R. mit Gesellschafterbeschluss vom 31.7.1985 (UR-Nr. 2782 des Notars Dr. Ho., H.) das Stammkapital auf 50.000 DM, wobei die neue Stammeinlage "sofort und in bar" zu erbringen war. Nach Erwerb der Gesellschaftsanteile aufgrund Vertrages vom 3.12.1987 durch den Steuerberater und Wirtschaftsprüfer J. B. - des Ehemannes der Beklagten - übertrug dieser von seinen nun von ihm gehaltenen Geschäftsanteilen i.H.v. 10.000 DM, 10.000 DM und 30.000 DM den Geschäftsanteil i.H.v. 30.000 DM und - nach Aufteilung des einen Geschäftsanteils von 10.000 DM in zwei Geschäftsanteile von 8.000 DM und 2.000 DM - einen weiteren Geschäftsanteil i.H.v. 8.000 DM mit Vertrag vom 29.5.1989 (UR-Nr. 831/1989 des Notars Dr. He., G.) auf die Beklagte, zum Preis von lediglich 1 DM. Weitere 12.000 DM Geschäftsanteile übertrug der Ehemann der Beklagten auf diese mit Vertrag vom 30.12.1997 (UR-Nr. 3031/1997 des Notars Dr. He., G.). Die Beklagte ihrerseits teilte den erworbenen Geschäftsanteil i.H.v. 30.000 DM in zwei Anteile von 17.500 und 12.500 DM sowie übertrug den Anteil von 12.500 DM mit Vertrag vom 24.2.1998 (UR-Nr. 449/1998 Dr. He., G. Bl.) auf ihren Sohn O.B.
Ausweislich der vorgelegten Bilanz für das Geschäftsjahr 1988 war zwar ein Kapital von 50.000 DM als Eigenkapital gezeichnet und betriebliche Erträge durch den Verzicht eines Altgesellschafters auf ein Darlehen i.H.v. 236.954,06 DM erzielt worden (Kontennachweis Konto Nr. 4831) sowie sonstige betriebliche Erträge i.H.v. 487,15 DM (Kontennachweis Konto Nr. 4830), aber keine weiteren Umsatzerlöse. Dem betreffenden Lagebericht zufolge war mit Wirkung vom 31.12.1987 die Speditionstätigkeit eingestellt worden. "Zur Zeit" - so der Lagebericht der nunmehr in R. angesiedelten und dort zu HRB 1944 seit dem 3.11.1989 ins Handelsregister des AG R. eingetragenen Gesellschaft - liege der Schwerpunkt der Tätigkeit im Beteiligungsgeschäft.
Die Parteien streiten darüber, ob infolge des Wechsels des Geschäftsfeldes von einer wirtschaftlichen Neugründung auszugehen sei. Nach Darstellung der Beklagten seien lediglich Sitz- und Geschäftstätigkeit verändert worden, die Beteiligungstätigkeit aber sofort aufgenommen worden. Hingegen leitet der Kläger aus dem erwähnten Jahresabschluss ab, dass lediglich der nunmehr entlehrte Mantel für die Aufnahme der neuen Geschäftstätigkeit genutzt worden sei, was einer wirtschaftlichen Neugründung gleich komme. Daher habe das Stammkapital neu zur Verfügung stehen müssen. Die Beklagte hat überdies die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG, auf dessen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen wird, hat ein klagstattgebendes Versäumnisurteil aufrecht erhalten. Die Verjährungsfrist gem. §§ 19 Abs. 6 Satz 1 Gm...