Offenlegungspflicht bei Wiederbelebung einer GmbH-Hülle

Wirtschaftliche Neugründungen sind gegenüber dem Registergericht offenlegungspflichtig. Damit einher geht die Pflicht zur Abgabe der Versicherung zur Aufbringung des Stammkapitals entsprechend den Grundsätzen einer regulären Neugründung, die von sämtlichen Geschäftsführern abgegeben werden muss.

Die sogenannte wirtschaftliche Neugründung spielt in der M&A-Praxis eine wichtige Rolle. Immer dann, wenn eine unternehmenslose GmbH aktiviert, also mit einem Unternehmen erstmals oder erneut ausgestattet wird, handelt es sich um eine wirtschaftliche Neugründung. Dazu setzt man regelmäßig Vorratsgesellschaften oder (konzerneigene) Mantelgesellschaften ein. Der Vorteil liegt auf der Hand – beide können innerhalb weniger Stunden aktiviert werden und sind kurzfristig verfügbar. Der mit der Gründung einer GmbH einhergehende Zeitaufwand, der aufgrund des Eintragungserfordernisses im Handelsregister nur schwer im Vorfeld vorherzusagen ist, entfällt.

Bei der Aktivierung einer Vorratsgesellschaft wird diese erstmals mit einem Unternehmen ausgestattet. Bei der Aktivierung einer Mantelgesellschaft wird eine früher aktive, zum Zeitpunkt der Aktivierung aber inaktive Gesellschaft, erneut mit einem Unternehmen ausgestattet, also wiederbelebt. In beiden Fällen einer wirtschaftlichen Neugründung wird typischerweise die Satzung in Bezug auf den Unternehmensgegenstand, den Sitz und die Firma geändert. Gleichzeitig wird die Geschäftsführung ausgetauscht. Derartige Maßnahmen deuten daher häufig auf eine wirtschaftliche Neugründung hin.

Von der wirtschaftlichen Neugründung bei Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften ist die Sanierung einer noch aktiven GmbH abzugrenzen. Denn für die Sanierung gelten die Anforderungen einer wirtschaftlichen Neugründung nicht. Von einer Sanierung ist immer dann auszugehen, wenn an die Fortführung des Geschäftsbetriebs in einer wirtschaftlichen noch gewichtbaren Weise angeknüpft wird - sei es auch - unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung des Tätigkeitsgebiets, die GmbH also noch ein aktives Unternehmen betreibt und nicht nur eine „leere Hülle“ geworden ist.

Die Abgrenzung ist nicht zuletzt deshalb entscheidend, weil im Falle der wirtschaftlichen Neugründung für den Erwerber und den (künftigen) Geschäftsführer einige Besonderheiten zu beachten sind: Die wirtschaftliche Neugründung ist gegenüber dem Registergericht stets offenlegungspflichtig. Dabei haben sämtliche Geschäftsführer zu versichern, dass das satzungsmäßige Stammkapital im Anmeldezeitpunkt wertmäßig vorhanden ist, dass die in § 7 Abs. 2 und Abs. 3 GmbHG bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und dass sich der Gegenstand der Leistungen im Zeitpunkt der Offenlegung bzw. der Anmeldung der etwaigen mit ihr einhergehenden Satzungsänderungen - weiterhin oder jedenfalls wieder - endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet.

Das Registergericht nimmt nach Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung eine Gründungsprüfung entsprechend § 9 c GmbHG vor: Es prüft, ob die verwendete Vorrats- oder Mantelgesellschaft bei Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung über das Stammkapital verfügt. Sofern der Offenlegungspflicht und den weiteren Anforderungen nicht nachgekommen wird, ist das Registergericht berechtigt, sämtliche Handelsregisteranmeldungen, die im Rahmen der wirtschaftlichen Neugründung zur Eintragung im Handelsregister angemeldet werden, zurückzuweisen.

Mit Fragen rund um die wirtschaftliche Neugründung in Abgrenzung zur Sanierung einer noch aktiven Gesellschaft hatte sich jüngst das OLG Düsseldorf zu beschäftigen.

Hintergrund

In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Antragssteller im Zusammenhang mit dem Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile an einer Gesellschaft als neuer Gesellschafter-Geschäftsführer verschiedene Satzungsänderungen beschlossen und zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Das Registergericht lehnte die Eintragung der Satzungsänderungen ab. Der Antragssteller wandte sich mit der Beschwerde gegen die Zurückweisung des Registergerichts. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Denn der Antragssteller hatte einen unternehmenslos gewordenen Gesellschaftsmantel einer ehemals aktiven GmbH erworben und wiederverwendet, was – in Abgrenzung zur Sanierung – aufgrund der vorliegenden Indizien als wirtschaftliche Neugründung einzustufen war. Entscheidend war nach Ansicht des Registergerichts die Frage, ob die Gesellschaft im Augenblick ihrer „Wiederbelebung“ noch ein Unternehmen betrieb oder bereits tatsächlich stillgelegt war. Von einer Inaktivität sei dann ausgehen, wenn die GmbH keine Tätigkeit entfaltet, die über die bloße Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehe. Dabei deuten insbesondere eintragungspflichtige Abänderungen des Gesellschaftsvertrages, wie die Änderung des Unternehmensgegenstandes, Neufassung der Firma, Sitzverlegung, Bestellung eines neuen Geschäftsführers sowie eine Veräußerung der Geschäftsanteile – wie vorliegend – typischerweise auf eine Mantelverwendung hin. Nach Angaben des Registergerichts rechtfertigten die zur Eintragung angemeldeten Satzungsänderungen daher in Verbindung mit den eingereichten Dokumenten und dem Verhalten des Antragsstellers vorliegend den Schluss auf eine wirtschaftliche Neugründung, die offenlegungspflichtig gewesen wäre. Damit einher geht die Pflicht zur Abgabe der Versicherung über die Stammkapitalaufbringung.

Der Antragssteller war sowohl der Offenlegungspflicht als auch der Pflicht zur Abgabe der Versicherung über die Stammkapitalaufbringung – trotz wiederholter Aufforderungen des Registergerichts – nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Der Antragssteller hatte zwar eine nachträgliche Versicherung über die Kapitalaufbringung nach Aufforderung durch das Registergericht abgegeben. Die abgegebene Versicherung entsprach jedoch in mehreren Punkten nicht den inhaltlichen Anforderungen. Sie bezog sich nicht auf den erforderlichen Zeitpunkt, nämlich dem Zeitpunkt der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung. Des Weiteren hatte das Registergericht erhebliche und berechtigte Zweifel, dass die nachträglich abgegebene Versicherung zur Kapitalaufbringung des Antragsstellers der Wahrheit entsprach. Denn die Urkunde, die der Antragssteller beim Registergericht im Zusammenhang mit der Eintragung der Satzungsänderungen eingereicht hatte, enthielt unter anderem die Angabe, dass das Stammkapital bereits aufgebraucht sei.

Das Registergericht hat den Eintragungsantrag in Bezug auf die Satzungsänderungen daher berechtigterweise auf Kosten der Gesellschaft zurückgewiesen.

Anmerkungen und Praxistipp

Sowohl beim Einsatz von Vorrats- und Mantelgesellschaften als auch bei der Sanierung noch aktiver und bei der Reaktivierung von nicht operativ tätigen, „schlafenden“ Gesellschaften sollte im Vorfeld geprüft werden, ob eine wirtschaftliche Neugründung vorliegt. Denn bei Nichteinhaltung der sich daraus ergebenden Offenlegungs- und Erklärungspflichten droht nicht nur ein Geld-, sondern auch ein Zeitverlust: Das Registergericht kann und wird die Eintragungsanträge auf Kosten der Gesellschaft zurückweisen. Die Gesellschafter setzen sich einer Unterbilanzhaftung aus. Bis zur Anzeige der wirtschaftlichen Neugründung trifft den Geschäftsführer außerdem eine Handelndenhaftung (§ 11 Abs. 2 GmbHG).

Zu beachten ist auch, dass bei der wirtschaftlichen Neugründung sämtliche Geschäftsführer gemeinsam zur Anmeldung und zur Abgabe der Versicherung der Kapitalaufbringung verpflichtet sind - ungeachtet etwaiger Vertretungs- und Zeichnungsberechtigungen verpflichtet sind. Die Erklärung eines einzelnen (von mehreren) Geschäftsführers reicht nicht, selbst wenn er einzelvertretungsberechtigt ist.

(OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.3.2024, 3 Wx 24/24)