Dipl.-Betriebsw. (FH) Manuela Spreitzer
Rz. 3
Schmier- oder Bestechungsgelder werden insbesondere von Exportunternehmen ausländischen Auftraggebern zugesagt, um dadurch den Vertragsabschluss günstig zu beeinflussen oder dessen reibungslose Durchführung zu gewährleisten. Derartige Absprachen verstoßen nach deutschem Recht gegen die guten Sitten und sind demzufolge nach § 138 BGB nichtig und können deshalb nicht gerichtlich durchgesetzt werden.
Rz. 4
An diese Rechtsfolge anknüpfend hat der BGH eine Rückstellungsbildung abgelehnt, weil Rückstellungen für künftige Verbindlichkeiten nur aufgrund von wirksamen zivilrechtlichen Vereinbarungen möglich sein sollen. Hinsichtlich ihrer bilanzrechtlichen Erfassung kommt es allerdings auf die rechtliche Unwirksamkeit nicht an. Es genügt vielmehr, dass eine sog. faktische Verpflichtung aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns für das Unternehmen droht und dadurch eine Minderung des Betriebsvermögens eingetreten ist. Eine derartige faktische Verpflichtung zur Zahlung von Schmiergeldern ist für eine Rückstellungsbildung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB (Verbindlichkeitsrückstellung) ausreichend. Der BGH hat bei einer faktischen Leistungsverpflichtung die für die Rückstellungsbildung erforderliche wirtschaftliche Verursachung dann angenommen, wenn eine konkretisierte Zugehörigkeit künftiger Ausgaben zu bereits realisierten Erträgen gegeben ist. Nach diesem Prinzip der "Umsatzalimentierung" ist für Schmiergelder eine Rückstellung zu bilden, wenn bis zum Bilanzstichtag entsprechende Erlöse aus der Auftragsabwicklung vorliegen. Eine Passivierung wird aber als unzulässig angesehen, wenn noch keine Erlöse aus dem abgeschlossenen Auftrag vorliegen.
Rz. 5
Eine entsprechende Verbindlichkeitsrückstellung ist allerdings schon dann zu bilden, wenn die Verpflichtung zur Schmiergeldzahlung wirtschaftlich verursacht ist. Derartige faktische Verbindlichkeiten sind zu passivieren, wenn die sie begründenden wirtschaftlichen Gegebenheiten sich in der Weise verdichtet haben, dass sich der Kaufmann der daraus resultierenden Verpflichtung nicht mehr entziehen kann. Nach diesen Grundsätzen ist die sich aus wirtschaftlichen Gründen ergebende Verpflichtung zur Zahlung von Schmiergeldern entstanden, wenn der Auftrag erteilt wurde, der Dritte die Schmiergeldzahlung "verdient" hat und das Unternehmen wirtschaftliche Nachteile zu befürchten hat, wenn es sich dieser Zahlung unter Hinweis auf die fehlende Rechtswirksamkeit der Vereinbarung entziehen will (z. B. durch Schwierigkeiten bei der Auftragsdurchführung oder durch Nichtberücksichtigung späterer Aufträge). Hierfür muss ein konkreter, nachprüfbarer Sachverhalt dokumentiert werden, aus dem sich ein Erfüllungszwang für die Schmiergeldzahlung aufgrund der faktischen Verpflichtung und die Erfüllungsbereitschaft trotz Nichtigkeit der Vereinbarung ergibt.,
Rz. 6
Führt der schmiergeldpflichtige Auftrag mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Verpflichtungsüberschuss, ist eine Rückstellung für drohende Verluste aus einem schwebenden Geschäft zu bilden. Bei dieser Drohverlustrückstellung sind Vollkosten anzusetzen, in die auch die noch nicht geleisteten Schmiergelder als provisionsähnliche Aufwendungen (Sondereinzelkosten des Vertriebs) einzubeziehen sind.