Leitsatz
Wird eine Erbengemeinschaft vor dem in der Teilungsanordnung festgelegten Termin durch Realteilung aufgelöst und übernimmt ein Miterbe Schulden, die auf einem für einen anderen Miterben bestimmten Grundstück lasten, so bildet eine solche Schuldübernahme Anschaffungskosten, wenn sie eine Gegenleistung dafür ist, dass der übernehmende Miterbe den ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt zugedachten Grundbesitz vorzeitig aus dem Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft in sein eigenes Vermögen überführen kann.
Normenkette
§ 9 EStG, § 255 Abs. 1 HGB
Sachverhalt
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur ESt veranlagt. Der Vater des Klägers hatte durch ein 1986 errichtetes Testament den Kläger, die Beigeladene und eine weitere Tochter (X) gemeinsam als Erben eingesetzt. Die Erbengemeinschaft sollte bis zum 31.12.1996 bestehen bleiben und dann so geteilt werden, dass die drei Erben verschiedene näher bezeichnete Grundstücke erhielten.
Bis zur Auflösung der Erbengemeinschaft sollte der Kläger den gesamten Besitz in Absprache mit den beiden Töchtern verwalten. Der Überschuss sollte unter den drei Erben aufgeteilt werden. Im Jahr 1987 verstarb der Vater des Klägers. X schied im Jahr 1989 gegen eine Abfindung aus der Erbengemeinschaft aus. Nachdem es in der Folgezeit zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu erheblichen persönlichen Differenzen gekommen war, lösten sie im Januar 1992 durch notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag die Erbengemeinschaft rückwirkend zum 31.12.1990 auf. Die Beigeladene erhielt, wie im Testament vorgesehen, das zur Erbmasse gehörende Hotel, übernahm von den darauf lastenden Verbindlichkeiten jedoch nur einen Teilbetrag von 160.000 DM. Die restlichen Verbindlichkeiten (293.456 DM) übernahm der Kläger. Er erhielt den übrigen im Testament genannten Grundbesitz einschließlich der darauf lastenden Verbindlichkeiten.
Der Kläger beantragte vergeblich, den Betrag der für die Beigeladene übernommenen Verbindlichkeiten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab. Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen Rechts sowie die unrichtige Anwendung von § 9 EStG.
Entscheidung
Die strittigen Aufwendungen des Klägers sind bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Anschaffungskosten der auf ihn bei der Erbauseinandersetzung übergegangenen Grundstücke zu berücksichtigen. Der Kläger hat in Form der teilweisen Übernahme von Schulden, die auf dem Grundbesitz der Beigeladenen lasteten, eine Ausgleichsleistung dafür erbracht, dass er entgegen der Teilungsanordnung um mehrere Jahre verfrüht den ihm zugedachten Grundbesitz aus dem Nachlass erwerben konnte.
Nach den Feststellungen des FG, die nicht mit Revisionsrügen angegriffen und daher nach § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend sind, haben der Kläger und die Beigeladene im Jahr 1992 bei der vorgezogenen Erbauseinandersetzung zwar den Grundbesitz entsprechend der Teilungsanordnung verteilt, aber die durch die Vorverlegung des Auseinandersetzungszeitpunkts bedingten Veränderungen ausgeglichen. Ohne diese Ausgleichsleistungen in Form einer zusätzlichen Schuldübernahme hätte der Kläger die für ihn bestimmten Grundstücke zu diesem Zeitpunkt nicht erwerben können, sodass die zusätzliche Schuldübernahme die Voraussetzungen des § 255 Abs. 1 HGB erfüllt.
Entgegen der Auffassung der Kläger kommt ein vollständiger Abzug des strittigen Betrags als Werbungskosten im Streitjahr nicht in Betracht. Auch wenn die zusätzliche Schuldübernahme des Klägers im wirtschaftlichen Ergebnis ganz oder teilweise die der Beigeladenen entgehenden Mieteinkünfte ersetzen und dem Kläger entsprechende Einkünfte verschaffen sollte, so beruht sie doch in erster Linie auf dem vorzeitigen Erwerb der für den Kläger bestimmten Grundstücke. Dieser Zusammenhang ist sachnäher und führt zur Verteilung der Aufwendungen in Form von AfA.
Handelt es sich aber bei dem zusätzlich übernommenen Schuldbetrag um Anschaffungskosten der Grundstücke des Klägers, so ist der gesetzliche AfA-Verteilungszeitraum von 50 Jahren maßgebend. Für einen kürzeren Verteilungszeitraum, wie ihn die Kläger in der mündlichen Verhandlung begehrt haben, fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
Hinweis
Welche Aufwendungen zu den Anschaffungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 HGB (z.B. BFH, Urteil vom 11.1.2005, IX R 15/03, BFH-PR 2005, 247, m.w.N.). Anschaffungskosten sind danach die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten. Sie sind, wenn sie durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlasst sind, im Rahmen der AfA zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG).
Besteht – wie im Streitfall – eine Erbengemeinschaft, so können Aufwendungen eines Miterben Anschaff...