Rz. 14

§ 81 Abs. 1 Nr. 3 AO regelt einen speziellen Fall der Bestellung eines Abwesenheitsvertreters. Hiernach kann für einen Beteiligten mit bekanntem Aufenthaltsort außerhalb des Geltungsbereichs der AO ein Abwesenheitsvertreter bestellt werden, wenn er – gleich aus welchem Grund – der Aufforderung der Finanzbehörde, im Geltungsbereich des Gesetzes einen Vertreter für das gesamte Verwaltungsverfahren zu bestellen, innerhalb der ihm gesetzten angemessenen Frist nicht nachgekommen ist.

3.2.3.1 Aufenthalt außerhalb Inland/EU/EWR

 

Rz. 15

Für einen Beteiligten, dessen Person und Aufenthalt zwar bekannt ist, der aber in dem Zeitpunkt, in dem die Finanzbehörde ein Verwaltungsverfahren einleiten oder fortsetzen will, ohne Aufenthalt

  • im Inland,
  • in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder
  • in einem anderen Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Island, Liechtenstein und Norwegen) anzuwenden ist,

erfordert die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen die Aufforderung der Finanzbehörde einen Bevollmächtigten für das konkrete Verwaltungsverfahren zu bestellen und den erfolglosen Ablauf einer diesem gesetzten angemessenen Frist.

Die Vorschrift unterstellt, dass ein Beteiligter ohne Aufenthalt im Inland/EU/EWR regelmäßig gehindert ist selbst im Verwaltungsverfahren aufzutreten. Dies galt nach der bis zum 22.7.2016 geltenden Rechtslage bereits für einen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der AO – mithin außerhalb des Bundesgebiets (Inland). Aufgrund europarechtlichen Erwägungen wurde der räumliche Aufenthaltsbereich um den EU/EWR-Raum erweitert. Der Beteiligte darf sich daher weder im Inland noch in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR aufhalten, um eine Bestellung eines Vertreters von Amts wegen zu rechtfertigen.[1]

 

Rz. 16

Die Vorschrift stellt ausschließlich auf den tatsächlichen Aufenthalt ab. Auf den Wohnsitz i. S. v. § 8 AO oder den gewöhnlichen Aufenthalt i. S. v. § 9 AO oder auf die Staatsangehörigkeit kommt es folglich nicht an. Die Finanzbehörden haben im Allgemeinen keinen Anlass, die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen zu beantragen.[2] Aus diesem Grund muss der Aufenthalt des Beteiligten außerhalb der Grenzen des EWR auch für einen zumindest nicht unerheblichen Zeitraum bestehen.[3]

[1] Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016, BStBl I 2016, 694; Koenig/Hahlweg, AO, 4. Aufl. 2021, § 81 Rz. 11; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 78f.
[3] Koenig/Hahlweg, AO, 4. Aufl. 2021, § 81 Rz. 11.

3.2.3.2 Aufforderung zur Vertreterbestellung mit Fristsetzung

 

Rz. 17

§ 81 Abs. 1 Nr. 3 AO setzt neben des Aufenthalts des Beteiligten außerhalb des EWR eine Aufforderung der Finanzbehörde voraus, innerhalb angemessener Frist einen Vertreter zu bestellen. Diese Aufforderung hat Verwaltungsaktqualität, der dem Beteiligten daher auch ordnungsgemäß bekannt gegeben werden muss.[1] Zuständige Finanzbehörde ist die das steuerliche Verwaltungsverfahren führende Finanzbehörde als Verfahrensträgerin.[2] In Betracht wird regelmäßig die Bekanntgabe mittels einfachen Brief, Telefax oder unter den Voraussetzungen des § 87a AO durch elektronische Übermittlung kommen.[3]

Die Frist zur Vertreterbestellung muss angemessen sein und insbesondere die Dauer der Zustellung und ggf. die längere Zeit der Bestellung eines Vertreters vom Ausland aus berücksichtigen.[4] Die Gründe können hierfür z. B. in sprachlichen Barrieren, zeitintensiven Geldwäscheprüfungen oder Sanktionspaketen der EU gegen bestimmte Aufenthaltsländer liegen. Die Frist versteht sich nicht als gesetzliche Ausschlussfrist, sondern ist entsprechend verlängerbar.

 

Rz. 18

Der Beteiligte sollte auf die Rechtsfolgen einer nicht fristgemäßen Bestellung des Vertreters hingewiesen werden. Aus welchen Gründen die Bestellung eines Bevollmächtigten aber im Ergebnis unterblieben ist, bleibt für die Rechtmäßigkeit einer Vertreterbestellung unerheblich. Während des Fristlaufs ist ein finanzbehördliches Ersuchen an das Betreuungsgericht/Familiengericht unzulässig.[5] Eine durch den Beteiligten nach Fristablauf erfolgte Bestellung eines Vertreters bleibt zulässig und erledigt das finanzbehördliche Ersuchen.[6]

[1] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 84.
[2] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 83.
[3] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 84; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 16.
[4] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 85; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 17.
[5] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 17; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 88.
[6] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 17; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 88; Koenig/Hahlweg, AO, 4. Aufl. 2021, § 81 Rz. 12.

3.2.3.3 Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten (§ 123 AO)

 

Rz. 19

Nicht ausreichend ist die Aufforderung, einen Empfangsbevollmächtigten nach § 123 AO zu bestellen. Eine solche Aufforderung ersetzt somit nicht die Aufforderung zur Vertreterbestellung nach § 81 AO.[1] Die Vorschriften der §§ 123 und 81 Abs. 1 Nr. 1 AO unterscheiden sich in Tatbestand und Rechtsfolge und sind daher nebeneinander anwendbar. Der Anwendungsbereich d...

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