Rz. 26
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs muss innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (bzw. der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde) schlüssig gerügt werden. Dazu ist die Angabe der Tatsachen erforderlich, aus denen sich die Gehörsverletzung ergibt.
Bei den Rügeanforderungen ist danach zu unterscheiden, ob sich die Gehörsverletzung nur auf einzelne Feststellungen (Rz. 24) oder auf das Gesamtergebnis des Verfahrens überhaupt (Rz. 23) bezieht.
Rz. 27
Betrifft die Gehörsverletzung nur einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte, setzt die Rüge den substanziierten Vortrag voraus,
- zu welchen dem FG-Urteil zugrunde gelegten Sach- oder Rechtsfragen der Beteiligte sich nicht äußern konnte oder welches Vorbringen das FG nicht berücksichtigt bzw. auf welche entscheidungserheblichen Gesichtspunkte das FG vor Ergehen des Urteils nicht hingewiesen hat;
- was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs zusätzlich vorgetragen worden wäre;
- dass bei Berücksichtigung des (lediglich infolge des Verfahrensfehlers unterbliebenen) übergangenen Vorbringens (z. B. neuer Tatsachen oder eines Beweisantrags) das FG-Urteil – bei dessen materiell-rechtlicher Auffassung – hätte anders ausfallen können; die Kausalität (s. Rz. 25) ist darzulegen;
- dass der Verfahrensfehler in der Vorinstanz gerügt wurde bzw. weshalb keine Möglichkeit bestand, den Gehörsverstoß vor dem FG zu rügen;
- dass vor dem FG alle Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, ausgeschöpft wurden.
In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bzw. Revision müssen z. B. die Einzelheiten der Äußerungen geschildert werden, die vom FG nicht beachtet wurden, sowie welche Bedeutung ihre Nichtbeachtung für die Entscheidung des FG hat.
Rz. 28
Obwohl in diesen Fällen die Sache grundsätzlich an das FG zurückzuverweisen ist, wo die Gewährung des rechtlichen Gehörs nachgeholt werden muss (Rz. 23), kann im Rahmen der Gehörsrüge auf den Vortrag dessen, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre, nicht verzichtet werden. Es reicht daher nicht aus, sich weiteren Vortrag vor dem FG vorzubehalten.
Rz. 29
Betrifft die Gehörsverletzung nicht nur einzelne Feststellungen (Rz. 24), sondern – wie z. B. bei einer versehentlich unterbliebenen Ladung zur mündlichen Verhandlung oder bei der Nichtverlegung eines Termins und der dadurch bedingten Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung – den gesamten Streitstoff, d. h. das Gesamtergebnis des Verfahrens (Rz. 23), war umstritten, ob auch hier der Vortrag erforderlich ist, was bei einer ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und dass dieser Vortrag die Entscheidung hätte beeinflussen können. Nach der früher wohl h. M. war auch hier darzulegen, was noch vorgebracht worden wäre und dass darauf eine andere Entscheidung zumindest möglich gewesen wäre.
Hier hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass dies deshalb nicht verlangt werden kann, weil der Beteiligte keine Ausführungen dazu machen kann, was er bei Teilnahme an der mündlichen Verhandlung noch vorgetragen hätte, weil deren Verlauf nicht hypothetisch feststellbar ist. Teilweise wurde danach differenziert, ob der Grund für das Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung in der Sphäre des Gerichts, des Beteiligten oder in der neutralen Sphäre liegt.
Rz. 30
Der BFH hat sich der Auffassung angeschlossen, dass bei Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung aufgrund eines Verfahrensfehlers des Gerichts die Kausalitätsvermutung des § 119 Nr. 3 FGO uneingeschränkt gilt und die Darlegung der Ursächlichkeit des Verfahrensfehlers daher nicht erforderlich ist. Für eine ordnungsgemäße Rüge der Gehörsverletzung muss in diesen Fällen somit nicht dargelegt werden, was noch vorgetragen worden wäre und inwieweit dieser Vortrag das Ergebnis hätte beeinflussen können. Da bei einer unterbliebenen Teilnahme an der mündlichen Verhandlung der Vortrag des Beteiligten wesentlich von der Einlassung der Gegenseite, von Beweisaufnahmen und von der Erörterung des Gerichts abhängt, kann – ausgehend von dem Grundsatz der Kausalitätsvermutung – eine Darlegung dessen, was ohne die Gehörsverletzung vorgetragen worden wäre, grundsätzlich nicht verlangt werden. Eine Ausnahme ist nur dann anzuerkennen, wenn eine Äußerung zum Gesamtergebnis des Verfahrens die angegriffene Entscheidung unter keinem anderen denkbaren Gesichtspunkt hätte beeinflussen können, z. B. wenn die Klage wegen Verfristung oder Rechtsmissbrauchs eindeutig unzulässig war.
Ist von der Gehörsverletzung das Gesamtergebnis des Verfahrens betroffen, sind wegen der unwiderleglichen Kausalitätsvermutung (Rz. 23, 29) daher Ausführungen zur Erheblichkeit des Verfahrensmangels grundsätzlich nicht erforderlich.
Anders ist es dagegen bei einem auf einzelne Feststellungen bezogenen Verfahrensverstoß. Hier handelt es sich nicht um einen absoluten Revisionsgrund. Die Kausalität ist daher vom Revisionskläger darzulegen und vom BFH zu übe...