Rz. 13

Ist ein Schriftstück einzureichen oder wählt der Beteiligte zur Fristwahrung den zugelassenen schriftlichen Weg, so reicht es für die Fristwahrung, wenn das Schriftstück bis 24 Uhr des letzten Tages der Frist in den Machtbereich des vorgesehenen richtigen Empfängers gelangt. Das ist auf Seiten der Behörde nicht erst dann der Fall, wenn es dem zuständigen Bediensteten vorliegt, sondern wenn es in den Verfügungsbereich der Behörde gelangt ist.[1] Zur Wahrung der Frist bei Einreichung eines Schriftstücks in fremder Sprache vgl. § 87 AO.

 

Rz. 14

Ein fristwahrendes Schriftstück kann auch im Telefaxverfahren übersendet werden. Die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig[2] und gilt auch für die Verwaltungsverfahren.[3] Wird der Zugang zum Adressaten (z. B. FA, FG) über ein Telefaxgerät eröffnet, so muss der Adressat auch nach Dienstschluss für seine Funktionsfähigkeit sorgen.[4] Zur Fristwahrung bei Nutzung des Telefaxverfahrens vgl. im Übrigen Rz. 24.

 

Rz. 15

Wird das Schriftstück bis 24 Uhr des letzten Tages in einen Briefkasten der Finanzbehörde geworfen, so ist die Frist gewahrt. Dies gilt für besondere Nachtbriefkästen ebenso wie für normale Hausbriefkästen, Postschließ- und Postabholfächer der Behörde oder des anderen Beteiligten.[5] Bei einfachen Hausbriefkästen der Behörde ist es deshalb belanglos, ob nach den Umständen mit der Leerung noch am Tag des Einwurfs zu rechnen ist.[6] Bei Postschließfächern und Postabholfächern ist der Einwurf in diese während der Frist maßgebend, nicht deren tatsächliche Leerungs- oder Abholzeit durch die Behörde oder den anderen Beteiligten.[7] Die auf die Leerungszeit abstellende Auffassung lässt den von der Empfängerentscheidung abhängigen, also einen willkürlichen Zeitpunkt maßgebend sein und steht damit im Widerspruch zu Rspr. des BVerfG.[8] Auch wenn die Postschließ- und Abholfächer für ihre Inhaber nicht stets erreichbar sind, ist dies doch kein ausreichender Grund für eine Behandlung dieser Fälle völlig abweichend von denen der Hausbriefkästen der FÄ.

Der Eingang bei einer gemeinsamen Eingangstelle mehrerer Behörden oder Gerichte reicht bei richtiger Adressierung ebenfalls aus, dass das Schriftstück in die tatsächliche Verfügungsmacht des Empfängers gelangt.[9]

[1] BVerfG v. 3.10.1979, 1 BvR 726/78, BVerfGE 52, 203; Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 108 Rz. 38 m. w. N.
[2] GmS-OBG 1/98, v. 5.4.2000, DStR 2000, 1362.
[3] Z. B. BFH v. 4.7.2002, V R 31/01, BStBl II 2003, 45; BFH v. 18.3.2014, VIII R 9/10, BStBl II 2014, 748; Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 108 Rz. 38 m. w. N.
[4] BGH v. 7.10.1991, IV ZR 68/91, MDR 1991, 1193.
[5] Ansnich, in BeckOK AO, § 108 Rz. 199; Söhn, in HHsp, AO/FGO, § 108 AO Rz. 142.
[6] Unsicher BGH v. 26.3.1981, IVa ZB 4/81, HFR 1982, 215.
[7] Ebenso z. B. Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 108 AO Rz. 145; BVerfG v. 11.2.1976, 2 BvR 652/75, BVerfGE 41, 323; BSG v. 2.9.1977, 12 RAr 46/76, MDR 1978, 83.
[8] BVerfG v. 3.10.1979, 1 BvR 726/78, BVerfGE 52, 203; Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 108 Rz. 38.

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