3.2.1 Grundregel (Abs. 3)
Rz. 37
§ 193 BGB Sonn- und Feiertag; Sonnabend
Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag.
Rz. 38
Nach Abs. 3 endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages, wenn das eigentliche Fristende auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Samstag fällt; die Reihenfolge ist historisch begründet. Diese Verschiebung gilt für alle Fristen (vgl. Rz. 3–7), ob in ihnen oder außerhalb ihrer Dauer eine Handlung zu vollführen, eine Duldung oder Unterlassung zu üben ist oder vollführt bzw. geübt werden kann. Während § 193 BGB nur für Willenserklärungen gilt, findet § 108 Abs. 3 AO zunächst auf alle eigentlichen Fristen (Handlungsfristen, z. B. die Abgabe einer Steuererklärung) Anwendung. Darüber hinaus wendet der BFH § 108 Abs. 3 AO nach Änderung seiner Rechtsprechung nunmehr auch an für die uneigentlichen Fristen nach § 122 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a, § 123 S. 2 AO; § 4 Abs. 2 VwZG, die Monatsregelungen, die Zwei-Wochenregelung zum Zeitpunkt der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts und für die Festsetzungsfrist. Maßgebend hierfür ist, wie sich aus § 108 Abs. 1 AO ergibt, der Fristbegriff des bürgerlichen Rechts. § 108 Abs. 3 AO erfasst danach alle Arten von Fristen. Der Zweck des § 193 BGB, die Feiertagsruhe zu schützen und die in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung übliche Fünftagewoche zu berücksichtigen, wird mithin durch § 108 Abs. 3 AO auf die uneigentlichen Fristen erstreckt.
Diese Grundsätze gelten allerdings nicht für die Frist nach § 14 Abs. 1 ErbStG, die Fristen im Rahmen des § 11 Abs. 2 S. 2 EStG. Ist ein Brief erst nach Anlauf der in § 122 Abs. 1 AO genannten Frist zugegangen, kommt es für den Fristanlauf auf den tatsächlichen Zugangszeitpunkt an.
3.2.2 Gesetzliche Feiertage
Rz. 39
Welcher Tag ein gesetzlicher Feiertag ist, entscheidet (abgesehen vom Tag der deutschen Einheit am 3.10.) das Landesrecht. Überall gesetzliche Feiertage sind Neujahr, Karfreitag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt, 1. Mai, Pfingstmontag, 3. Oktober und der 1. und 2. Weihnachtstag. Darüber hinaus ergeben sich unterschiedliche weitere Feiertage aus den einzelnen Feiertagsgesetzen der Länder. Der 24.12. ist, wenn er nicht auf einen Samstag oder Sonntag fällt, kein einem Sonntag oder Samstag gleichgestellter Tag. Der 31.12. ist ebenfalls kein gesetzlicher Feiertag. Auch Rosenmontag ist kein gesetzlicher Feiertag, kann jedoch ebenfalls eine Begründung für die Wiedereinsetzung bilden.
3.2.3 Ausnahmen (Abs. 4–6)
Rz. 40
Die Ausnahmen der Abs. 4–6 finden im Geltungsbereich der AO so gut wie keine Anwendung. Sie sind im Interesse einer möglichst weitgehenden Übereinstimmung der AO mit § 31 Abs. 4–6 VwVfG übernommen worden. Die Übernahme kann als missglückt angesehen werden, da sie die im Steuerrecht vorhandenen Fristen gänzlich übersieht und stattdessen hier nicht vorkommende Fälle regelt:
- Leistungspflichten der Behörden für einen bestimmten Zeitraum (das sind nicht: Steuererstattung und -vergütung) enden auch an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen.
- Ein von einer Behörde gesetzter Termin (nicht Frist) ist auch dann genau einzuhalten, wenn er auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt. Diese Vorschrift enthält keine Rechtsgrundlage für die Ansetzung eines solchen Termins. Solche Rechtsgrundlagen finden sich in der AO z. B. für die Anhörung Beteiligter, die Augenscheinseinnahme, die Versicherung an Eides Statt, das Betreten von Grundstücken, die Vorlage von Wertsachen, für den Versteigerungstermin und für die Erörterung des Sach- und Rechtsstands.
- Bei den nach Stunden bestimmten Fristen zählen Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage mit. Im Steuerrecht werden solche "Dringlichkeitsfälle" die große Ausnahme sein ...