Rz. 9

Jemand muss eine gesetzliche Frist, nicht dagegen einen Termin durch ein unverschuldetes Hindernis versäumt haben. Jemand ist eine Person, die durch Einhaltung der Frist eine Rechtsfolge erzielen würde. Das kann ein Stpfl. oder auch eine Finanzbehörde sein[1]. Fristversäumung ist immer gegeben, wenn die Frist abgelaufen ist, ohne dass die innerhalb der Frist zu vollführende Handlung geschehen ist. Zwar kann die Wiedereinsetzung nur die Fristversäumung, nicht dagegen andere Zuständigkeitsmängel heilen[2]. Dennoch kommt eine Wiedereinsetzung insbesondere auch bei Form- und Inhaltsfehlern in Betracht, die selbst keine Fristversäumung enthalten, aber eine Ursache für diese bilden.

Eine Fristversäumung ist auch dann anzunehmen, wenn die Handlung zwar innerhalb der Frist geschehen ist, sie jedoch so unvollständig oder mangelhaft ausgeführt worden ist, dass sie nicht als rechtsgültige Handlung der erforderlichen Art angesehen werden kann[3]. Insbesondere bei Form- und Inhaltsfehlern kommt daher eine Wiedereinsetzung infrage. Zwar sind solche Mängel selbst keine Fristversäumung[4]. Dennoch kann ein psychisches Hindernis (siehe unten Rz. 3b) der fristgerechten Einreichung eines ordnungsgemäßen Schriftstücks entgegengestanden haben.

 

Rz. 10

Das Ende der einzuhaltenden gesetzlichen Frist ist dabei nicht mit dem Ende der Dienstzeit bei der empfangenden Stelle gleichzusetzen. Die Frist dauert regelmäßig bis 24 Uhr; es ist Sache der empfangenden Stelle (Behörde, Gericht), zuverlässig zu überwachen, ob die Einwurfszeit vor 24 Uhr liegt[5]. Bestehen Zweifel, ob die Frist versäumt worden ist, so trifft den Beteiligten die Feststellungslast für die Fristwahrung, wenn diese sich nicht ermitteln lässt[6]. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Beteiligte die Wiedereinsetzungsgründe vortragen und glaubhaft machen muss[7]. Bei glaubhaften, konkreten Behauptungen des Beteiligten zur Fristwahrung liegt im Wege der Vermutung die Feststellungslast bei der Finanzbehörde[8]. Die Zweifel brauchen nicht aufgeklärt zu werden, wenn die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung offensichtlich gegeben sind. Ausnahmsweise geht trotz des Bestehens restlicher Zweifel die Feststellungslast nicht gegen den Beteiligten, wenn der Statusbericht des Faxgeräts der empfangenden Stelle einen störungsfreien Zugang der übermittelten Daten beweist und nach Lage des Einzelfalls auf den ordnungsgemäßen Ausdruck der Rechtsbehelfsschrift geschlossen werden kann, die verschwunden ist[9].

Die Feststellungslast ist besonders heikel in den Fällen, in denen der steuerliche Berater seinen Fristenkalender nicht vorlegen kann, weil einer Vorlageverpflichtung ein Vorlageverweigerungsrecht gemäß § 104 AO entgegensteht[10].

2.1 Hindernis

 

Rz. 11

Der Betroffene, also die steuerpflichtige natürliche oder juristische Person oder der sonst für die Einhaltung einer Frist in Betracht Kommende, muss an dem Einhalten der gesetzlichen Frist verhindert gewesen sein. Dabei kommt jede Art des Hindernisses in Betracht, ob es nun körperlicher (physischer) oder psychischer Art gewesen ist. Krankheiten, Abwesenheit und die Unmöglichkeit des Gelangens zum Ort der Handlung, z. B. körperliche Hindernisse, Irrtümer, Unkenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, oder auch Versehen können psychische Hindernisse sein. Eine psychische Krankheit kann ebenfalls ein psychisches Hindernis sein, wenn sie Ursache der Fristversäumung ist[1]. Das Hindernis muss sich dabei unmittelbar auf die Einhaltung der Frist beziehen, dieser also entgegenstehen. Sie darf also nicht bloß materiell-rechtliche Fehleinschätzung der Erfolgsaussichten sein. Danach führt ein unverschuldeter Irrtum über die Frist selbst zur Wiedereinsetzung, nicht dagegen ein Irrtum über das Wesen einer Ausschlussfrist oder gar über das materielle Recht[2]. Eine psychische Krankheit kann dann als entschuldbares Hindernis angesehen werden, wenn sie so schwer war, dass der Beteiligte außerstande war, einen Bevollmächtigten zu informieren und mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen[3].

 

Rz. 12

Wegen der Beziehung des Hindernisses auf die Frist gewinnt das Hindernis jedoch nur bei gleichzeitigem Betrachten des Verschuldens bzw. seines Fehlens Gestalt. In der Praxis tritt dadurch die Untersuchung des – i. d. R. gegebenen – Hindernisses meist in den Hintergrund.

Das Hindernis muss ursächlich für die Fristversäumung gewesen sein, sich unmittelbar auf die Einhaltung der Frist bezogen haben, ihrer Einhaltung also entgegengestanden haben. B...

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