Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 11
Der Betroffene, also die steuerpflichtige natürliche oder juristische Person oder der sonst für die Einhaltung einer Frist in Betracht Kommende, muss an dem Einhalten der gesetzlichen Frist verhindert gewesen sein. Dabei kommt jede Art des Hindernisses in Betracht, ob es nun körperlicher (physischer) oder psychischer Art gewesen ist. Krankheiten, Abwesenheit und die Unmöglichkeit des Gelangens zum Ort der Handlung, z. B. körperliche Hindernisse, Irrtümer, Unkenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, oder auch Versehen können psychische Hindernisse sein. Eine psychische Krankheit kann ebenfalls ein psychisches Hindernis sein, wenn sie Ursache der Fristversäumung ist. Das Hindernis muss sich dabei unmittelbar auf die Einhaltung der Frist beziehen, dieser also entgegenstehen. Sie darf also nicht bloß materiell-rechtliche Fehleinschätzung der Erfolgsaussichten sein. Danach führt ein unverschuldeter Irrtum über die Frist selbst zur Wiedereinsetzung, nicht dagegen ein Irrtum über das Wesen einer Ausschlussfrist oder gar über das materielle Recht. Eine psychische Krankheit kann dann als entschuldbares Hindernis angesehen werden, wenn sie so schwer war, dass der Beteiligte außerstande war, einen Bevollmächtigten zu informieren und mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen.
Rz. 12
Wegen der Beziehung des Hindernisses auf die Frist gewinnt das Hindernis jedoch nur bei gleichzeitigem Betrachten des Verschuldens bzw. seines Fehlens Gestalt. In der Praxis tritt dadurch die Untersuchung des – i. d. R. gegebenen – Hindernisses meist in den Hintergrund.
Das Hindernis muss ursächlich für die Fristversäumung gewesen sein, sich unmittelbar auf die Einhaltung der Frist bezogen haben, ihrer Einhaltung also entgegengestanden haben. Bei einem psychischen Hindernis in der Form eines Irrtums muss dieser sich auf die Frist selber oder auf die Fristwahrung bezogen haben. Eine Fehleinschätzung im materiell-rechtlichen Bereich reicht nicht aus (vgl. Rz. 39). Gerade deswegen gewinnt das Hindernis nur bei gleichzeitiger Betrachtung des Verschuldens bzw. seines Fehlens Gestalt. In der Praxis tritt dadurch die Untersuchung des i. d. R. gegebenen Hindernisses gegenüber der Frage des Verschuldens meist in den Hintergrund. Lässt sich die Ursächlichkeit des Hindernisses für die Fristversäumung nicht feststellen, so soll im Zweifel zugunsten des Betroffenen entschieden werden. Beim Wegfall des Hindernisses muss die Frist bereits abgelaufen sein oder der Beteiligte muss, wenn das Hindernis unmittelbar vor Fristablauf weggefallen war, die Frist nicht mehr einhalten können. Eine angemessene Zeit zum Überlegen etwa im Umfang der Wiedereinsetzungs-Antragsfrist oder nach Art einer Fristhemmung scheidet aus. Der Beteiligte muss unverzüglich nach dem Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachholen, sofern die Frist noch läuft.
Rz. 13
Ein Hindernis setzt begrifflich voraus, dass es die Fristeinhaltung gänzlich verhindert. Bestehen mehrere Wege zur Fristwahrung, so müssen alle Wege verbaut gewesen sein. Kann die fristwahrende Handlung auf mehreren unterschiedlichen Wegen geschehen, kann also z. B. bei einem Defekt des Druckers am PC noch ein anderer Weg für die Fristwahrung genutzt (z. B. Fax-Schreiben) oder die fristwahrende Handlung durch Inhaltsänderung (gekürztes handschriftliches Schreiben) rechtzeitig angebracht werden, so müssen für ein Hindernis zur Begründung einer Wiedereinsetzung alle möglichen Wege blockiert gewesen sein. Ist der Beteiligte körperlich gehindert, die Frist durch Einwerfen des fristwahrenden Schriftstücks beim Adressaten zu wahren, kann er aber durch Aufgabe eines Telegramms oder Telefaxes die Frist einhalten, so ist er zunächst einmal nicht an der Fristwahrung gehindert. Befindet er sich allerdings in Unkenntnis über den bzw. die anderen Wege, so besteht ein psychisches Hindernis. Dieses wird bei rechtlich nicht bewanderten Personen regelmäßig anzunehmen sein, nicht dagegen bei Rechtsberatern (vgl. Rz. 68 ). Hat der Beteiligte sich für eine Möglichkeit der Fristwahrung entschieden und wird diese so spät ausgeschlossen, dass ein anderer Weg nicht mehr zur Verfügung steht (z. B. Defekt des Faxgeräts kurz vor Fristablauf), so ist kein Fall mit mehreren Wegen mehr gegeben. Kein Verschulden soll bei Nichtnutzung des Ausweichens auf einen anderen Übermittlungsweg bestehen, wenn die nicht rechtzeitige Übermittlung per Telefax ihren Grund in der Sphäre der Finanzbehörde oder des Gerichts hatte.
Rz. 14
Im Fall des § 126 Abs. 3 AO unterstellt das Gesetz das Fehlen eines Verschuldens, wenn das Hindernis für die Einhaltung einer Frist durch das Fehlen einer vorgeschriebenen Begründung zu einem Verwaltungsakt oder das Unterlassen einer erforderlichen Anhörung verursacht worden ist, also in einem psychischen Hindernis besteht. Lässt sich die Ursächlichkeit nicht feststellen, so soll im Zweifel zugunsten des Stpfl. entschieden werden. Andere Hindernisse reichen nicht für diese Regelun...