Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 55
Für das Verhalten steuerlicher und sonstiger Rechtsberater, die als Bevollmächtigte tätig werden, gelten besondere, von der Rspr. herausgearbeitete Grundregeln, nach denen das Vorliegen eines Verschuldens zu beurteilen ist. Die Rspr. hat diese Grundregeln ursprünglich zum Verhalten der Rechtsanwälte entwickelt, sie jedoch später auch auf Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer und Steuerberatungsgesellschaften angewendet. Dabei gelten die besonderen Sorgfaltsanforderungen an einen berufsmäßigen Berater auch dann, wenn der nach wie vor als Steuerberater oder Rechtsanwalt zugelassene Bevollmächtigte altersbedingt aus seiner Steuerberatungsgesellschaft, Anwaltssozietät o. Ä. ausgeschieden ist und nur nebenbei noch Mandanten betreut. Die für die Vertreter aufgestellten Regeln werden von den Gerichten vielfach überspannt.
Auf kaufmännische/gewerbliche Betriebe mit Büroorganisation lassen sich jedoch diese Regeln nicht ohne Weiteres übertragen, grundsätzlich auch nicht diejenigen zu den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Büroorganisation. Zwar wird bei Stpfl. mit detaillierter Büroorganisation die Anwendung des subjektiven Verschuldensmaßstabs zu strengeren Anforderungen an die Organisation als bei anderen Stpfl. führen müssen. Die speziellen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Organisation einer Beraterpraxis können jedoch bereits wegen der abweichenden Tätigkeitsschwerpunkte auf diese gewerblichen Betriebe nur bedingt übertragen werden. Allerdings ist es kaum einzusehen, wenn die Anforderungen an Rechts- und Steuerabteilungen von Konzernen niedriger gesetzt werden als an freiberuflich tätige Vertreter.
Allerdings neigt die höchstrichterliche Rspr. in jüngerer Zeit dazu, die Lehre vom Organisationsmangel über den Bereich der Rechtsberatung hinaus auszudehnen und zwar auch auf die Finanzbehörden. So wird von den gesetzlichen Vertretern der Finanzbehörde und ihren Bevollmächtigten wie vom Prozessbevollmächtigten eines Stpfl. die Überwachung der Erledigung fristgebundener Schriftsätze von der Führung eines Fristenkontrollbuchs bis zu ihrer Absendung, also eine Ausgangskontrolle, gefordert. Die Anforderungen dürfen allerdings nicht überspitzt werden. Vielmehr gilt auch hier die Abgrenzung zwischen Büroversehen und Organisationsmängeln wie bei den Rechtsberatern. Versehen der Schreibkanzlei können Büroversehen sein. Jedoch soll Wiedereinsetzung nicht zu gewähren sein, wenn eine Frist durch schuldhaftes Verhalten des Vertreters des Finanzamtsvorstehers (fehlende Unterschrift) versäumt wird.
2.4.2.1 Organisationsmangel – Büroversehen
Rz. 56
Ein Verschulden eines steuerlichen Vertreters ist entweder bei einem unmittelbar von ihm selbst verursachten Fehler oder insbesondere dann gegeben, wenn die Fristversäumung auf eine mangelnde Büroorganisation, also einen Organisationsmangel, ursächlich zurückzuführen ist. Dagegen bedeutet ein reines Büroversehen, also ein Fehler, der auch bei ordnungsgemäßer Büroorganisation vom Berater nicht zu vermeiden war, kein Verschulden. Zur Abgrenzung von Organisationsmängeln und Büroversehen gibt es eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung. Diese entwickelt sich weiter, zum Teil auch unter dem Druck der Rspr. des BVerfG, die im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG eine großzügigere Handhabung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung fordert.
Der Betroffene trägt die Feststellungslast, wenn nicht eindeutig zu klären ist, ob ein Organisationsmangel oder ein Büroversehen vorliegt.
Der steuerliche Berater hat organisatorisch für einen ordnungsgemäßen Bürobetrieb Sorge zu tragen.
2.4.2.2 Organisationsmängel
2.4.2.2.1 Fristenkontrolle
Rz. 57
Zur Wahrung der Fristen ist insbesondere die Führung eines Fristenkontrollbuchs oder einer vergleichbaren Einrichtung erforderlich. Ein Fristenkalender anstelle eines Fristenkontrollbuchs soll nach m. E. überspitzter Auffassung nicht ausreichen. Auch das bloße Notieren eines Wiedervorlagetermins in ...