Rz. 6

Die Amtshilfepflicht geht über die Auskunfts- und Vorlagepflichten, denen auch die Gerichte und Behörden nach §§ 93, 93a und 97 AO unterliegen, meist hinaus. Zu ihr gehört regelmäßig die Verpflichtung, Amtshandlungen vorzunehmen, Ermittlungen anzustellen usw., die die ersuchende Behörde nicht selbst vornehmen kann oder bei denen Praktikabilitätserwägungen für die Inanspruchnahme der Amtshilfe sprechen. Dagegen wird die Auskunfts- und Vorlagepflicht auch der Behörden nach §§ 93, 97 AO durch Verwaltungsakt konkretisiert.[1] In § 93a AO ist eine Rechtsverordnung für initiativ durch andere Behörden zu erteilende Mitteilungen an die Finanzbehörden vorgesehen. Die danach ergangene Mitteilungsverordnung[2] regelt die Übermittlung von Mitteilungen durch Behörden und anderen öffentliche Stellen einschließlich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an die Finanzbehörden ohne Ersuchen. Sie enthält genaue Anweisungen für die mitteilungspflichtigen Stellen, welche Sachverhalte zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang welchem FA bzw. der Finanzverwaltung mitzuteilen sind. Konkretisiert wird sie durch ein BMF-Schreiben.[3] Diese Mitteilungen sind, obwohl die Pflicht zu ihnen sich aus Rechtsvorschriften ergibt und nicht aus einem Verwaltungsakt, solche im Auskunfts- und nicht im Amtshilfeverfahren. § 93a AO ist daher zutreffend hinter § 93 AO und nicht hinter § 111 AO angefügt worden. Dagegen betrifft die Anfügung des § 93 Abs. 8 AO durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit einen Fall der Amtshilfe. Der durch dasselbe Gesetz eingefügte § 93b AO ist teilweise ebenfalls eine Anwendung des Amtshilfeprinzips.

Für die Amtshilfe gelten ausschließlich die Regeln der §§ 111116 AO, soweit nicht in ihnen einzelne Vorschriften des Auskunfts- und Vorlagerechts für entsprechend anwendbar erklärt worden sind.[4] Für die Verweigerung der Amtshilfe z. B. gelten die Regeln des § 112 Abs. 24 ausschließlich. Dabei kann die Amtshilfe mangels eines Verwaltungsakts auch nicht nach §§ 328ff. AO[5] erzwungen werden. Im Ablehnungsfall ist vielmehr nach § 112 Abs. 5 AO zu verfahren.

Für die Auskunfts- und Vorlagepflichten der Behörden nach §§ 93, 93a und 97 AO gelten dagegen die Amtshilferegeln der §§ 111ff. AO nicht[6], sodass z. B. die Ablehnungsvorschriften des § 112 Abs. 25 AO hier nicht anwendbar sind.[7] Dagegen ist die Erzwingung nach §§ 328ff. AO unter Beachtung des § 255 AO zulässig.

Wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung ist eine Abgrenzung zwischen der Amtshilfe und der Auskunfts-/Vorlagepflicht unerlässlich. Geht das Ersuchen der Finanzbehörde über die Erteilung einer Auskunft oder die Vorlage von Urkunden hinaus, so ist stets eine Amtshilfe anzunehmen, die auch die eventuelle Auskunft und eine erbetene Vorlage mit umfasst. Wird dagegen die Behörde oder das Gericht ausschließlich um eine Auskunft oder die Vorlage von Urkunden gebeten oder erteilt sie diese aufgrund der Rechtsverordnung nach § 93a AO, so ist grundsätzlich ein Fall der Mitwirkungspflichten der §§ 93, 93a bzw. 97 AO anzunehmen. Dem steht § 112 Abs. 1 Nr. 4 AO nicht entgegen, da der dort genannte Fall im Zusammenhang mit anderen Teilen der Amtshilfe durchaus Gegenstand einer solchen sein kann.

[1] Koenig/Zöllner, AO, 4. Aufl. 2021, § 111 Rz. 15; a. A. Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 111 AO Rz. 2.
[2] v. 7.9.2013, BGBl I 1993, 1554, i. d. F. der Änderungsverordnung zur Mitteilungsverordnung v. 21.9.2021, BGBl I 2021, 67.
[3] V. 29.9.2021, IV A 3 – S 0229/21/10001 :006, BStBl I 2021, 1765.
[5] Vgl. auch § 255 AO.
[6] A. A. Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 111 AO Rz. 2.
[7] Koenig/Zöllner, AO, 4. Aufl. 2021, § 111 Rz. 15.

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