Rz. 45
Ein Geheimnisschutz ist in den Abkommen üblicherweise in zweifacher Hinsicht vorgesehen: Zum einen verpflichten die Abkommen zur ausschließlichen steuerlichen Verwendung der ausgetauschten Informationen beim ersuchenden Staat, zum anderen erlauben sie dem ersuchten Staat und seinen Finanzbehörden, solche Informationen zu verweigern, die bestimmte Geheimnisse der Betroffenen offenbaren würden.
6.1.3.1 Ausgetauschte Informationen
Rz. 46
Die Abkommen enthalten meist eine Verpflichtung entsprechend Art. 26 Abs. 2 OECD-Musterabkommen DBA 2014, alle aufgrund innerstaatlichen Rechts beschafften Informationen geheim zu halten und nur den mit der Besteuerung einschließlich des Steuerstrafverfahrens befassten Stellen und Personen zugänglich zu machen. Diese wiederum dürfen die Informationen nur zu den angegebenen Zwecken verwenden. Eine Gewährleistung der Geheimhaltung der erteilten Auskünfte im ersuchenden Staat wird im Übrigen auch von § 15 Abs. 1 EUAHiG und Art. 16 Abs. 1 u. 2 der EU-Amtshilferichtlinie gefordert. Die Informationen, die an den ersuchenden oder den ersuchten Staat weitergeleitet werden, unterliegen in aller Regel dem Steuergeheimnis nach § 30 AO. Für eine Weitergabe dieser Daten bedarf es folglich einer Öffnungsklausel. Nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO ist die Offenbarung dann zulässig, wenn dies durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Die in nationales Recht transformierten DBA/TIEA sowie das multilaterale Übereinkommen sind ebensolche Gesetze wie das EUAHiG.
Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass nur solche Informationen gegeben werden dürfen, die der Besteuerung bzw. dem Steuerstrafverfahren oder ähnlichen Verfahren dienen. Außerdem ist hiermit bestimmt, dass die empfangenen Informationen auch dann nicht für außersteuerliche Zwecke offenbart oder verwertet werden dürfen, wenn dies nach innerstaatlichem Recht zulässig ist. Wie andere Staaten ohne besonderes Steuergeheimnis die Informationen nicht weitergeben dürfen, erlauben auch nicht Ausnahmen zu § 30 AO eine Weitergabe. Diese ist nur nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig. Eine Information der Sozialversicherungsträger und anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften nach § 31 AO oder bestimmter öffentlich-rechtlicher Körperschaften und anderer Stellen (meist Sozialversicherungsträger) nach § 31a AO zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Sozialbetrügereien ist daher z. B. nicht zulässig. Dies ist innerhalb der EU nach § 15 Abs. 2 EUAHiG anders, wenn der andere Mitgliedstaat einwilligt.
6.1.3.2 Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnisse und Geschäftsverfahren
Rz. 47
Das Bestehen von Betriebs-, Geschäfts-, Gewerbe-, Industrie-, Berufs- und ähnlichen Geheimnissen behindert das deutsche Besteuerungsverfahren grundsätzlich nicht. Ihr Bestehen gibt dem Betroffenen mit Ausnahme der Berufsgeheimnisse des § 102 AO kein Auskunfts- oder Vorlageverweigerungsrecht. Der Schutz dieser Geheimnisse ist mit dem Steuergeheimnis, das um das Besteuerungsverfahren und die gleichgestellten Verfahren herumgeht, ausreichend geschützt.
Da im internationalen Bereich ein wirksames Steuergeheimnis mit der Sicherheit des deutschen Steuergeheimnisses rechtlich und vor allem tatsächlich nicht besteht und auch kaum herzustellen sein wird, sehen die Abkommen durchweg eine Klausel vor, die die Amtshilfeverpflichtung insoweit aufhebt, als der ersuchte Staat mit der Information ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren preisgeben würde. Hiermit soll auch die Gefahr der Wirtschaftsausspähung beseitigt werden. Die Bezeichnung der einzelnen Geheimnisse in den Abkommen ist unterschiedlich. In einigen Abkommen tauchen auch die Begriffe Geschäftsgeheimnis und Betriebsgeheimnis auf, die § 30 Abs. 2 Nr. 2 AO verwendet. Das DBA Schweiz nannte bislang außerdem das Bankgeheimnis. Diese Einwendung ist durch die an Art. 26 OECD-MA angelehnte Neufassung von Art. 27 DBA Schweiz massiv eingeschränkt worden.
Rz. 48
Die Auslegung der genannten Anknüpfungspunkte für das Geheimnis ist einerseits nach dem Sinn und Zweck des Abkommentextes zu treffen, da sie in diesen völkerrechtlichen Vereinbarungen – vereinheitlicht durch das OECD-Musterabkommen – verwendet werden. Andererseits handelt es sich auch um Begriffe, die teilweise in verschiedenen deutschen Gesetzen ebenfalls gebraucht werden und die in § 117 Abs. 3 Nr. 4 AO genannt sind. Nach der Entwicklung der Abkommenspraxis bis zum OECD-Musterabkommen DBA 2014 ist davon auszugehen, dass mit "Handels-, Industrie-, Gewerbe- und Berufsgeheimnissen" und den "Geschäftsverfahren" nur deutlicher das umrissen werden sollte, was in früheren OECD-Musterabkommen mit "Handels-, Geschäfts-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis" und "Geschäftsverfahren" umschrieben war. Dies wiederum entspricht dem "Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis" i. S. v. § 30 Abs. 2 Nr. 2 AO. Es handelt sich um Umstände, die im Zusammenhang mit dem Handels-, Industrie- oder Gewerbebetrieb oder der Ausübung eines Berufs stehen, und zwar nicht nur kaufmännisch, sondern auch technisc...