Rz. 23

Im internationalen Steuerrecht bildet die Betriebstätte den wesentlichen Anknüpfungspunkt für die Zuordnung des Besteuerungsrechts für gewerbliche Einkünfte. Gewerbliche Einkünfte werden regelmäßig nur im Betriebstättenstaat besteuert und im Wohnsitzstaat freigestellt.

Der Begriff der Betriebstätte ist in Art. 5 OECD-MA enthalten; er ist in dieser oder ähnlicher Form regelmäßig in die einzelnen DBA übernommen worden.

Der wesentliche Unterschied zu § 12 AO besteht darin, dass nach dem OECD-MA der "ständige Vertreter" eine Betriebstätte begründet, während er in § 13 AO als eigenständiger Anknüpfungspunkt außerhalb des Begriffs der Betriebstätte definiert ist[1].

Der Aufbau von Art. 5 OECD-MA ähnelt § 12 AO. In Abs. 1 ist eine allgemeine Definition enthalten, die der Definition des § 12 S. 1 AO entspricht. Art. 5 Abs. 2 und 3 OECD-MA enthalten Regelbeispiele, die im Wesentlichen § 12 S. 2 AO entsprechen. Der wesentliche Unterschied zu § 12 AO liegt hier darin, dass Bauausführungen und Montagen nur dann eine Betriebstätte begründen, wenn ihre Dauer 12 Monate überschreitet.

Art. 5 Abs. 4 OECD-MA enthält Einschränkungen des Begriffs der Betriebstätte, die keine Entsprechung in § 12 AO haben. Insoweit ist der Begriff des Art. 5 OECD-MA enger als der des § 12 AO[2].

 

Rz. 24

Art. 5 Abs. 1 OECD-MA definiert die Betriebstätte als feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.

Im Gegensatz zu § 12 werden "Anlagen" nicht erwähnt; dies bedeutet jedoch keine sachliche Abweichung, da der Ausdruck "Geschäftseinrichtungen" nach Art. 4 OECD-MA auch Anlagen erfasst.

Der Begriff "Ausüben" der Tätigkeit des Unternehmens in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (anstelle des "Dienens" in § 12) engt den Begriff der Betriebstätte gegenüber § 12 ein (vgl. auch Betriebstätten-Verwaltungsgrundsätze v. 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1). Durch die Betriebstätte muss die Tätigkeit des Unternehmens unmittelbar ausgeübt werden; es genügt nicht, dass diese Tätigkeit für die Erreichung des Unternehmenszwecks nützlich ist. Soziale Einrichtungen, wie Betriebskindergärten, Arbeitnehmerwohnungen usw., sind daher keine Betriebstätten i. S. d. Art. 5 OECD-MA; sie sind zwar für die Erreichung des Unternehmenszwecks vorteilhaft, "dienen" ihm also, durch sie wird aber die Tätigkeit des Unternehmens nicht (unmittelbar) ausgeübt.

Im Übrigen entspricht die allgemeine Definition des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA dem § 12 S. 1.

 

Rz. 25

Keine Entsprechung in § 12 hat Art. 5 Abs. 7 OECD-MA, wonach eine Betriebstätte nicht dadurch begründet wird, dass ein Gesellschafter eine Gesellschaft beherrscht; hierdurch erlangt weder der herrschende Gesellschafter eine Betriebstätte am Ort der beherrschten Gesellschaft noch die beherrschte Gesellschaft eine Betriebstätte am Ort des herrschenden Gesellschafters.

Auch ohne ausdrückliche Bestimmung gilt nach § 12 eine entsprechende Regelung. Gesellschaften (Kapitalgesellschaften) sind selbstständig; auch wenn sie von einem Gesellschafter beherrscht werden, ist ein Durchgriff durch die Rechtspersönlichkeit der juristischen Person nicht zulässig. Durch Beherrschung wird also auch nach § 12 weder eine Betriebstätte des herrschenden Unternehmens am Ort des beherrschten noch umgekehrt eine Betriebstätte des beherrschten Unternehmens am Ort des herrschenden begründet. Möglich ist aber, dass das herrschende Unternehmen die Geschäftsleitung des beherrschten Unternehmens an sich zieht und dadurch eine Geschäftsleitungs-Betriebstätte nach § 12 Nr. 1 begründet wird.

Hintergrund der Regelung in Art. 5 Abs. 7 OECD-MA ist, dass RFH v. 21.1.1930, 1 A 682/28, RStBl 1930, 148; RFH v. 16.9.1930, I A 129/30, RStBl 1930, 757 eine beherrschte Gesellschaft als Filiale des herrschenden Gesellschafters angesehen hatte und daher eine Betriebstätte des herrschenden Gesellschafters für gegeben hielt. Diese Rspr. ist überholt.

[2] Vgl. Rz. 26ff.

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