Rz. 11
Ein nichtiger Verwaltungsakt entfaltet keine Wirkung; er kann nicht bestandskräftig werden und ruft keine Wirkungen hervor, die mit einem wirksamen, wenn auch rechtswidrigen Verwaltungsakt bzw. Steuerbescheid verbunden sind. Ein nichtiger Verwaltungsakt wahrt auch nicht die Festsetzungsfrist und unterbricht nicht die Zahlungsverjährung.
Ein nichtiger Verwaltungsakt entfaltet jedoch formelle Rechtswirkungen, wenn er rechtskräftig durch ein Gerichtsurteil bestätigt ist. Die Rechtskraft eines Urteils ist vorrangig vor der Nichtigkeit. Finanzbehörde und Betroffener können dann nicht mehr geltend machen, dass der Verwaltungsakt nichtig sei.
Ein nichtiger Verwaltungsakt ist nach § 124 Abs. 3 AO unbeachtlich; seine Nichtigkeit kann unbefristet geltend gemacht werden. Ein Rechtsbehelf gegen einen nichtigen Bescheid braucht daher nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist eingelegt zu werden, sondern ist fristlos zulässig. Die Behörde kann die Nichtigkeit feststellen, um den Rechtsschein, den auch der nichtige Verwaltungsakt entfaltet, zu beseitigen. Die Behörde kann den nichtigen Verwaltungsakt aber auch nach § 130 Abs. 1 AO zurücknehmen. Die Feststellung der Nichtigkeit durch die Behörde ist ein Verwaltungsakt, der mit dem Einspruch angefochten werden kann.
Wird ein Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Nichtigkeit abgelehnt, ist hiergegen die Verpflichtungsklage zulässig. Das Verfahren gem. § 125 Abs. 5 AO ist aber keine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Feststellungsklage.
Ein berechtigtes Interesse des Beteiligten an der Feststellung der Nichtigkeit wird i. d. R. bestehen, wenn der Verwaltungsakt belastend ist, da der Beteiligte wissen muss, ob er mit der Belastung rechnen muss oder sie ignorieren kann. Es ist der Rechtsschein, der durch den nichtigen VA entsteht, zu beseitigen. Erforderlichenfalls kann er nach § 41 Abs. 1 FGO Klage auf Feststellung der Nichtigkeit erheben. Eine Frist für die Klagerhebung ist nicht vorgesehen.
Rz. 11a
Da es häufig unklar ist, ob ein Verwaltungsakt nichtig oder nur anfechtbar ist, kann ein nichtiger Verwaltungsakt auch mit dem üblichen Rechtsbehelf (Einspruch) angefochten werden.
Allerdings sind Anfechtung des (nichtigen) Verwaltungsakts und Klage auf Feststellung der Nichtigkeit alternative Rechtsbehelfe, nicht kumulative. Das bedeutet, dass der Stpfl. in derselben Sache immer nur entweder Anfechtungsklage oder Klage auf Feststellung der Nichtigkeit erheben kann, nicht beide Klagen kumulativ. Hat das FG auf die Anfechtungsklage (abweisend oder stattgebend) rechtskräftig entschieden, steht einer Nichtigkeitsklage die Rechtskraft des Anfechtungsurteils entgegen. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall. Nach Rechtskraft des Urteils über die Feststellung der Nichtigkeit steht, je nach dem Inhalt des Urteils, entweder fest, dass der Verwaltungsakt nichtig ist oder nicht; in einer Anfechtungsklage kann dann die Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden. Sofern der Stpfl. Feststellungsklage erhebt, ist dies ohne vorheriges Vorverfahren oder Antragsverfahren gem. § 125 Abs. 5 AO möglich.
Rz. 12
Da ein nichtiger Verwaltungsakt keine Wirkungen entfaltet, verbraucht er auch nicht das Regelungsrecht der Verwaltung. Die Finanzbehörde kann, soweit nicht Ablauf der Festsetzungsfrist o. ä. eingetreten ist, durch einen wirksamen Verwaltungsakt den Sachverhalt noch (erstmals wirksam) regeln, ohne dass die Voraussetzungen der §§ 130f., 172ff. AO vorliegen müssen. Wird der nichtige Verwaltungsakt aufgehoben, gilt das Gleiche; eine Freistellung ist hierin nicht zu erblicken.
Liegt nicht ein nichtiger Verwaltungsakt vor, sondern ein Nichtakt (vgl. Rz. 7), gilt die Regelung über nichtige Verwaltungsakte entsprechend. Auch ein Nichtakt kann den Rechtsschein eines Verwaltungsakts entfalten. Entsprechend Abs. 5 ist daher die Unwirksamkeit des Nichtakts festzustellen.