1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift fasst den Inhalt der Warenausgangsverordnung v. 20.6.1936[1] zusammen.[2] Ergänzend zur Aufzeichnungspflicht hinsichtlich des Wareneingangs[3] dient sie zur Kontrolle der Betriebsvorgänge beim Unternehmer, da hierdurch die Nachkalkulation möglich wird. Gleichzeitig gibt das Warenausgangsbuch die Grundlage für Kontrollmitteilungen gem. § 194 Abs. 3 AO, um bei dem Bezieher der Ware mittels Stichproben die vollständige Erfassung des Wareneingangs zu überprüfen.[4] §§ 143 und 144 AO sind allerdings nicht gänzlich aufeinander abgestimmt, da sie sich insbesondere im Adressatenkreis der jeweiligen Bestimmung unterscheiden.[5]

 

Rz. 1a

Bei Verpflichtung zur Aufzeichnung des Warenausgangs handelt es sich um eine selbstständige Rechtspflicht, die andere steuerliche Aufzeichnungspflichten unberührt lässt[6] und auch unabhängig von der Buchführungspflicht ist.[7] Die Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich.[8] Durch die Neufassung des § 379 Abs. 2 AO im Rahmen des JStG 2010[9] stellt ein Verstoß gegen § 144 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 AO nunmehr ausdrücklich eine Ordnungswidrigkeit dar.[10]

Die Änderung in § 144 Abs. 4 Satz 2 AO durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften[11] war rein redaktioneller Natur.

[1] RGBl 1936, 507.
[2] Görke, in HHSp, AO/FGO, § 144 AO Rz. 1.
[5] Vgl. hierzu auch Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 144 AO Rz. 2ff.; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 144 Rz. 1.
[6] AEAO zu § 144 AO S. 4; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 144 AO Rz. 7.
[8] Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 144 Rz. 1; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 144 AO Rz. 2; Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 144 Rz. 5.
[9] BGBl I 2010, 1768.
[10] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 144 AO Rz. 13; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 144 Rz. 12; Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 144 Rz. 26.
[11] Gesetz v. 12.12.2019, BGBl I 2019, 2451.

2 Adressaten der Vorschrift

2.1 Gewerbliche Unternehmer

 

Rz. 2

Nach § 144 Abs. 1 S. 1 AO trifft die Aufzeichnungspflicht des Warenausgangs zunächst gewerbliche Unternehmer, d. h. solche Unternehmer, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. v. §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 15 EStG beziehen.[1] Insofern ist der Begriff in § 143 AO und in § 144 AO identisch.[2] Die gewerblichen Unternehmer i. S. d. § 144 AO müssen aber zudem Großhandelsgeschäfte tätigen, d. h. nach der Definition des § 144 Abs. 1 AO, dass die Art des Gewerbebetriebs dadurch gekennzeichnet ist, dass sie Waren regelmäßig an andere gewerbliche Unternehmer zur Weiterveräußerung oder zum Verbrauch als Hilfsstoffe liefern.[3] Die Art und der Umfang des Gewerbebetriebs sind unerheblich, sofern das Großhandelsgeschäft den Betrieb prägt.[4] Die Beschränkung auf Großhändler ist verfassungsgemäß.[5] Der Hintergrund dieser Differenzierung ist, dass bei Einzelhändlern der Abnehmerkreis regelmäßig anonym und nicht absehbar ist.[6]

[2] Koenig/Haselmann, AO, 4 Aufl. 2021, § 144 Rz. 4.
[3] Görke, in HHSp, AO/FGO, § 144 AO Rz. 4; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 144 AO Rz. 1.
[4] Sauer, in Gosch, AO/FGO, § 144 AO Rz. 9; Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 144 Rz. 4.
[5] Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 144 Rz. 1; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 144 AO Rz. 2; Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 144 Rz. 5.
[6] Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 144 Rz. 5; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 144 AO Rz. 2.

2.2 Land- und Forstwirte

 

Rz. 3

Nach § 144 Abs. 5 AO sind ferner hinsichtlich des Warenausgangs aufzeichnungspflichtig solche Land- und Forstwirte, die nach § 141 AO buchführungspflichtig sind.[1] Aufzuzeichnen sind insoweit Waren, die erkennbar zur gewerblichen Weiterverwendung bestimmt sind.[2] Nicht aufzeichnungspflichtig sind nach dem eindeutigen Wortlaut des § 144 Abs. 5 AO Land- und Forstwirte, die nach § 140 AO oder anderen Bestimmungen[3] buchführungspflichtig sind, und alle nicht buchführungspflichtigen Land- und Forstwirte, auch wenn sie freiwillig Bücher führen.[4] Nach § 143 AO sind Land- und Forstwirte unter keinen Umständen zur Aufzeichnung des Wareneingangs verpflichtet, sodass die beiden Bestimmungen an dieser Stelle unterschiedlich formuliert sind.

[1] Görke, in HHSp, AO/FGO, § 144 AO Rz. 7ff.; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 144 AO Rz. 3ff.; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 144 Rz. 9; Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 144 Rz. 23.
[2] S. Rz. 3; vgl. BMF v. 15.12.1981, IV B 4 – S 2163 – 63, 81, IV A 7 – S 0312 – 6/81, BStBl I 1981, 878, 882.
[4] Gegen diese zweifelhafte Differenzierung s. Dumke, INF 1978, 153; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 144 AO Rz. 4; Görke, in HHSp, AO/FGO, § 144 AO Rz. 7ff.; Bichel, StBp 1986, 262.

3 Inhalt und Umfang der Aufzeichnungspflicht

3.1 Aufzeichnungspflichtige Warenverkäufe

 

Rz. 4

Waren i. S. d. Gesetzes sind alle beweglichen Sachen.[1] Aufzeichnungspflichtig sind nach § 144 Abs. 1 AO grundsätzlich solche Waren, die erke...

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