4.1 Kriterien der Ermessensausübung
4.1.1 Grundlagen
Rz. 76
Ob ("Entscheidungsermessen") und in welcher Höhe ("Auswahlermessen") ein VZ festgesetzt wird, liegt nach der Grundregel des § 152 Abs. 1 AO, die allerdings in der aktuellen Gesetzesfassung eher die Ausnahme ist, im Ermessen der Finanzbehörde. Diese hat hierbei auf beiden Stufen der Ermessensausübung die allgemeinen behördlichen Ermessensregelungen zu beachten. Für die Ausübung des Ermessens gelten die typische Ermessenskriterien, auch wenn diese nicht mehr wie in der Altfassung des Gesetzes in § 152 AO explizit benannt werden. Die Finanzbehörde hat bei der Einzelfallentscheidung alle Kriterien zu berücksichtigen. Die Beurteilungskriterien sind sämtlich gegeneinander abzuwägen. Ohne diese umfassende Abwägung ist die VZ-Festsetzung i. d. R. ermessensfehlerhaft.
Rz. 77
Die Ermessenskriterien des § 152 AO sind grundsätzlich gleichwertig. Auch wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein Merkmal stärker als ein anderes hervortreten kann, hat keines eine Vorzugsstellung. Dies bedeutet indes nicht, dass stets sämtliche Kriterien vorliegen müssen. Das Fehlen eines oder mehrerer Merkmale hat nicht zur Folge, dass ein VZ nicht festgesetzt werden darf. Das Fehlen muss nur im Rahmen der Entscheidung bedacht und dargestellt werden.
Rz. 78
Die Finanzbehörde ist durch die verschiedenen Ermessenskriterien zu einer differenzierten Behandlung der jeweiligen Fälle gezwungen. Aus der Gleichwertigkeit der Merkmale (s. Rz. 77) folgt, dass eine VZ-Festsetzung auch schon bei einer erstmaligen Pflichtverletzung erfolgen kann, wie umgekehrt ständige Nachlässigkeit nicht zwangsläufig einen und stets den höchsten VZ zur Folge haben muss. Hieraus folgt auch, dass die erste VZ-Festsetzung nicht auf einen Betrag bis zu 100 EUR beschränkt ist, sondern bis zum Höchstbetrag reichen kann.
Rz. 79
Die Grenzen der Ermessensausübung werden letztlich durch den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das daraus resultierende Übermaßverbot gezogen. Letzteres findet seinen Ausdruck in den Höchstgrenzen. In diesem gesetzlichen Rahmen kann die Finanzbehörde, bezogen auf die Situation im Einzelfall, ihre Entscheidung treffen.
4.1.2 Zweck des VZ
Rz. 80
Durch das besondere Druckmittel des VZ soll die zeitgerechte Durchführung des Besteuerungsverfahrens gesichert werden. Die Finanzbehörde hat als erstes Ermessenskriterium bei der Bemessung des VZ den Charakter als Ahndung und präventives Druckmittel zu berücksichtigen und Wirksamkeit des VZ zur Zweckerreichung anzustreben. Der VZ kann auch allein zur Ahndung eingesetzt werden. Zur Sicherung der zeitgerechten Steuererhebung ist die Festsetzung eines VZ regelmäßig geboten, wenn eine Steueranmeldung mit erheblicher Verspätung abgegeben wird und daraus ein erheblicher wirtschaftlicher Vorteil erwächst.
Rz. 81
Bei der VZ-Festsetzung kann auch das Gesamtverhalten des Stpfl. hinsichtlich der Abgabe der betreffenden Steuererklärungen, also auch ein früheres Fehlverhalten bei der Abgabe der vorhergehenden Steuererklärungen für diese Steuerart, berücksichtigt werden. Die Ahndungsfunktion des VZ gewinnt für die Höhe des VZ dann ein besonderes Gewicht, wenn frühere VZ-Festsetzungen nicht zu einer Änderung des Abgabeverhaltens geführt haben. Werden, bezogen auf dieses pflichtwidrige Erklärungsverhalten, verschiedene Druckmittel angewandt bzw. Bußen oder Stra...