Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 177
Voraussetzung für eine bindende tatsächliche Verständigung ist, dass auf beiden Seiten die entscheidungsberechtigten Personen teilgenommen haben. Aufseiten der Finanzbehörde muss daher ein entscheidungsbefugter Beamter mitwirken. Das ist i. d. R. der für die Veranlagung zuständige Sachbearbeiter oder Sachgebietsleiter oder der Vorsteher. Nur der Vorsteher ist entscheidungsbefugter Beamter, wenn dieser sich die abschließende Entscheidung vorbehalten hat. Bei veranlagender Außenprüfung sind auch der Außenprüfer und sein Sachgebietsleiter entscheidungsbefugte Beamte.
Rz. 178
Ist ein entscheidungsbefugter Beamter nicht unmittelbar an der tatsächlichen Verständigung beteiligt, tritt trotzdem die Bindungswirkung ein, wenn er in sonstiger Weise ausreichend beteiligt wurde. Das ist der Fall, wenn er vor Abschluss der tatsächlichen Verständigung einwilligt oder ihr nachträglich zustimmt. In der uneingeschränkten Übernahme der tatsächlichen Verständigung in eine Steuerfestsetzung liegt eine Genehmigung seitens des für die Veranlagung zuständigen Amtsträgers. Eine Bevollmächtigung des nicht entscheidungsberechtigten durch den entscheidungsberechtigten Amtsträger wird von der Rspr. nicht anerkannt. M. E. ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum eine klar dokumentierte nachträgliche Genehmigung oder Bevollmächtigung nicht zulässig sein soll.
Rz. 179
Aufseiten des Stpfl. ist die tatsächliche Verständigung bindend, wenn der Stpfl. selbst oder eine von ihm wirksam für den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung bevollmächtigte Person (z. B. Steuerberater) an der Verständigung mitgewirkt hat. Hat der Stpfl. einen Steuerberater oder Rechtsanwalt bevollmächtigt, kann dieser eine Untervollmacht erteilen, wenn dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Rz. 180
Hat nur auf einer Seite eine entscheidungsbefugte Person mitgewirkt, ist die tatsächliche Verständigung im Ganzen unwirksam (nicht zustande gekommen), weil es nicht zu übereinstimmenden wirksamen Willenserklärungen gekommen ist. Das folgt aus dem Wesen der tatsächlichen Verständigung als Vertrag. Es tritt nicht etwa eine einseitige Bindung der Partei ein, auf deren Seite die entscheidungsbefugte Person mitgewirkt hat. Auch eine einseitige Bindung aus Treu und Glauben tritt nicht ein. Ein gescheiterter Vertrag kann nicht in eine einseitige Bindung aus Treu und Glauben uminterpretiert werden. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob diejenige Seite der Verständigung, für die keine entscheidungsbefugte Person gehandelt hat, das Ergebnis der Verständigung nachträglich genehmigen kann. Diese Frage wird zu bejahen sein. Wenn die Partei die Verständigung selbst abschließen kann, dürfte i. d. R. kein Hindernis dafür bestehen, entweder einen Abschlussvertreter zu bevollmächtigen oder die Verständigung durch einen vollmachtlosen Vertreter abschließen zu lassen und anschließend zu genehmigen. Da die Partei in der Genehmigung völlig frei ist und daher überprüfen kann, ob sie genehmigen will oder nicht, ist sie bei der Genehmigung in keiner anderen Situation als bei der Teilnahme an der Verständigung.
Allerdings hat der BFH entschieden, dass eine Vertretung beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung, wenigstens auf Seiten der Finanzbehörde, nicht zulässig sei; das schließe auch eine nachträgliche Genehmigung aus. Begründet wird das mit der Notwendigkeit, den Beteiligten die Bedeutung der tatsächlichen Verständigung vor Augen zu führen, und mit nicht näher spezifizierten Besonderheiten des Außenprüfungsverfahrens. M. E. trägt die Begründung die Entscheidung nicht. Zumindest dann, wenn der Stpfl. weiß, dass die Wirksamkeit der tatsächlichen Verständigung noch von einer späteren Genehmigung durch die zuständige Finanzbehörde abhängt, ist kein Grund ersichtlich, dieses Verfahren nicht zuzulassen.
Rz. 181
Die Voraussetzung, dass auf beiden Seiten entscheidungsbefugte Personen teilnehmen, macht es rechtlich unmöglich, dass ein Stpfl. (Unternehmen) mit dem für ihn zuständigen FA eine tatsächliche Verständigung trifft, die die Besteuerung der Geschäftspartner einbezieht. Ein Bedürfnis für eine solche Verständigung kann sich ergeben, wenn der Stpfl. für die Geschäftspartner Aufwendungen übernommen (z. B. Gewährung von Versicherungsschutz) oder Leistungen erbracht hat (z. B. Incentives), die als geldwerte Vorteile bei den Geschäftspartnern nicht versteuert worden sind. In solchen Fällen kann der Stpfl. ein Interesse daran haben, die Steuer für die Geschäftspartner zu übernehmen, um die Geschäftsbeziehungen zu ihnen nicht zu belasten. Eine Pauschalierung, die die geeignete Lösung für diese Fälle wäre, sieht das Gesetz außerhalb des Bereichs des § 37b EStG nicht vor, wenn es sich bei den Geschäftspartnern nicht um Arbeitnehmer handelt. § 37a EStG behandelt nur einen Sonderfall.
Rz. 182
Vereinbaren in diesen Fällen der Stpfl. und das für ihn zuständige FA, dass der Stpfl. die (geschätzte) Steuerschuld der Geschäftspartner übernimmt, ist die da...