Rz. 49

Die Festsetzungsfrist wird dadurch gewahrt, dass die Steuer vor Ablauf dieser Frist wirksam gegen den Stpfl. festgesetzt wird. Diese Wirkung der Wahrung der Festsetzungsfrist ist verwaltungsaktbezogen.[1] Gewahrt wird die Festsetzungsfrist daher hinsichtlich eines bestimmten Steueranspruchs, der durch die Steuerfestsetzung festgesetzt wird, nicht hinsichtlich eines anderen Steueranspruchs, der auf dem gleichen Sachverhalt beruht (z. B. ESt 02 statt ESt 01). Der Stpfl. bzw. die Finanzbehörde wahren außerdem die Festsetzungsfrist, wenn sie vor ihrem Ablauf wirksam eine Handlung vornehmen, die zu einer Ablaufhemmung führt (z. B. Rechtsbehelf, Außenprüfung). Für den Ablauf der Festsetzungsfrist gilt § 108 Abs. 3 AO.[2] Fällt der Ablauf der Festsetzungsfrist auf einen Sonntag, einen Feiertag oder einen Sonnabend, läuft sie erst mit Ablauf des folgenden Werktags ab. Die zur Hemmung der Festsetzungsfrist führende Maßnahme muss also spätestens an diesem Werktag wirksam werden.

 

Rz. 50

Wegen Versäumung der Festsetzungsfrist kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 110 AO, gewährt werden. Wiedereinsetzungsfähig sind nur Fristen, die vom Stpfl. oder Dritten "einzuhalten" sind, d. h. Fristen, innerhalb derer der Betroffene eine Handlungs- oder Erklärungspflicht erfüllen muss. Gesetzliche Fristen, die im Verwaltungsverfahren von der Behörde von Amts wegen zu beachten sind, sind demgegenüber nicht wiedereinsetzungsfähig.[3]

 

Rz. 51

Die Festsetzung zur Wahrung der Festsetzungsfrist hat durch einen formell wirksamen Steuerbescheid zu erfolgen. Ein unwirksamer Steuerbescheid kann die Festsetzungsfrist nicht wahren.[4] Die Steuerfestsetzung muss also wirksam durch ein Schriftstück oder elektronisch bekannt gegeben werden, erforderlichenfalls durch öffentliche Bekanntgabe (hierzu Rz. 60). Ein unwirksam bekannt gegebener Steuerbescheid wahrt die Festsetzungsfrist nicht.[5] Auch die Festsetzung gegen eine andere Person als den Stpfl. wahrt die Festsetzungsfrist nicht.[6] Dagegen wahren rechtswidrige Steuerfestsetzungen, wenn sie nicht nichtig, also wirksam sind, grundsätzlich die Festsetzungsfrist.

 

Rz. 51a

Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerbescheid in dem Zeitpunkt, in dem er die Festsetzungsfrist wahren soll, auch schon materiell endgültig wirksam ist. Die materielle Wirksamkeit kann durch eine aufschiebende Bedingung hinausgeschoben werden oder durch eine auflösende Bedingung später wegfallen. Beispielsfälle sind etwa die Aussetzung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 S. 4 AO, die Festsetzung einer Vergünstigung oder Belastung mit einer Befristung nach § 120 Abs. 2 Nr. 1 AO oder die Steuerfestsetzung unter aufschiebender Bedingung nach § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO. Dies kann insbesondere bei Verbrauchsteuern vorkommen.

 

Rz. 52

Die Wahrung der Festsetzungsfrist muss gegenüber dem Stpfl. erfolgen; Maßnahmen gegenüber einer anderen Person wahren die Festsetzungsfrist nicht. Hiervon macht die Rechtsprechung[7] eine Ausnahme für Bescheide über gesonderte Feststellungen. Der BFH nimmt, ausgehend von der Einheitlichkeit der Entscheidung gegenüber allen Beteiligten, an, dass bereits die Wahrung der Festsetzungsfrist gegen einen der Beteiligten die Festsetzungsfrist gegenüber allen anderen Beteiligten wahre. Die fehlende Bekanntgabe gegenüber den anderen Beteiligten sei dann nachzuholen, ohne dass hierfür eine Frist bestünde. M. E. ist das Ergebnis bedenklich; der BFH würdigt das Rechtsschutzinteresse der anderen Beteiligten nicht ausreichend. Die Wahrung der Festsetzungsfrist setzt voraus, dass der Betroffene dies erkennen kann (Bekanntgabe des Steuerbescheids), was hier nicht der Fall ist. In Extremfällen können die anderen Festsetzungsbeteiligten noch nach vielen Jahren damit konfrontiert werden, dass entgegen ihrer (berechtigten) Annahme die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; das widerspricht dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Die Festsetzungsfrist wird daher m. E. nur gegenüber demjenigen Feststellungsbeteiligten gewahrt, demgegenüber die entsprechende Handlung der Finanzbehörde vorgenommen wurde. Hinsichtlich der anderen Beteiligten tritt Teilverjährung ein. Nur, wenn der Feststellungsbescheid an eine nach § 183 AO empfangsbevollmächtigte Person bekannt gegeben wird, wahrt dies die Festsetzungsfrist gegenüber allen Beteiligten.

 

Rz. 53

Die Wahrung der Festsetzungsfrist erfordert weiter, dass der (wirksam gewordene) Steuerbescheid auch wirksam bleibt.[8] Diese Wirkung entfällt, wenn der rechtswidrige Steuerbescheid endgültig aufgehoben wird, ohne dass eine Ablaufhemmung eingetreten ist.[9] Wird der Steuerbescheid im Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahren aus formellen Gründen aufgehoben, um durch einen neuen Bescheid ersetzt zu werden, bleibt die Festsetzungsfrist gewahrt. Das gilt erst recht, wenn der Bescheid nicht aufgehoben, sondern geändert wird.

 

Rz. 54

Die Frist ist nach § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 AO auch gewahrt, wenn die Steuerfestsetzung vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Berei...

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