Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 64
Bei bestandskräftigen Steuerbescheiden bzw. den Steuerbescheiden gleichgestellten Bescheiden, die über einen Veranlagungszeitraum hinaus Dauerwirkung entfalten (z. B. Einheitsbewertung, GrSt, KfzSt), bewirkt ein Fehler, dass die falsche Besteuerung nicht nur für einen Veranlagungszeitraum, sondern für mehrere Zeiträume, für die die bestandskräftigen Bescheide Wirkung entfalten, durchzuführen ist. Ist eine solche falsche Besteuerung aus Gründen der Rechtssicherheit für nur einen Zeitraum tragbar, wird sie unerträglich, wenn sie u. U. für lange Zeit Wirksamkeit entfalten sollte. Für die infrage kommenden Steuern enthalten daher § 22 Abs. 3 BewG und § 17 Abs. 2 Nr. 2 GrStG die Möglichkeit zu einer Fortschreibung (Art-, Wert- und Zurechnungsfortschreibung) bzw. zu einer Neuveranlagung zum Zweck der Beseitigung des Fehlers (Einzelheiten zur KfzSt Rz. 90ff.). Zu entsprechenden Änderungsmöglichkeiten bei Kindergeldbescheiden Rz. 59.
Rz. 64a
M. E. kommt in diesen gesetzlichen Regelungen der allgemeine Rechtsgedanke zum Ausdruck, dass Steuerbescheide mit Dauerwirkung für die Zukunft der wirklichen Rechtslage angepasst werden können, weil es untragbar erscheint, eine unrichtige Steuerfestsetzung lange Zeit in die Zukunft fortwirken zu lassen. Dieser Rechtsgedanke ermöglicht Anpassungen für die Zukunft auch dann, wenn im Einzelfall der Tatbestand einer Änderungsvorschrift nicht erfüllt ist.
Rz. 65
In diesen Fällen wirkt der neue Bescheid nicht auf den Zeitpunkt des ersten, unrichtigen Bescheids zurück, sondern entfaltet nur Wirkung für die Zukunft ab dem Fortschreibungs- bzw. Neuveranlagungszeitpunkt. Streng genommen handelt es sich daher in diesen Fällen nicht um eine Änderung eines unrichtigen Steuerbescheids, sondern um eine Richtigstellung für die Zukunft. Dadurch unterscheidet sich die fehlerberichtigende Fortschreibung bzw. Neuveranlagung von § 173 AO. Ein unrichtiger Bescheid kann auf einen späteren Zeitpunkt nicht nach § 173 AO geändert werden; umgekehrt kann der unrichtige Bescheid nicht auf den ursprünglichen Zeitpunkt fortgeschrieben oder eine Neuveranlagung durchgeführt werden. Ein weiterer Unterschied zu § 173 AO besteht auch darin, dass Fehler i. S. d. fehlerberichtigenden Fortschreibung bzw. Neuveranlagung alle Fehler, auch Rechtsfehler, sein können.
Eine ähnliche Regelung zur Anpassung von Dauerbescheiden enthält § 24a BewG. Danach kann eine Fortschreibung oder Nachfeststellung schon vor dem maßgeblichen Feststellungszeitpunkt erfolgen. Der Bescheid ist zu ändern, wenn sich bis zum maßgeblichen Feststellungszeitpunkt Änderungen ergeben, die zu einer abweichenden Feststellung führen.
Rz. 66
Der Unterschied des § 22 Abs. 3 BewG zu § 179 Abs. 3 AO liegt darin, dass bei der fehlerberichtigenden Fortschreibung eine Feststellung erfolgt ist, diese jedoch unrichtig ist und mit Wirkung für die Zukunft (auf einen neuen Zeitpunkt) berichtigt wird, während bei dem Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 AO die Feststellung unterblieben ist und mit Rückwirkung (auf den ursprünglichen Zeitpunkt) nachgeholt wird.
Rz. 66a
Entsprechendes gilt für das Verhältnis des § 22 Abs. 3 BewG zu § 181 Abs. 5 AO, wonach eine Feststellung nachgeholt werden kann (z. B. eine Fortschreibung), solange die Festsetzungsfrist für eine der einheitswertabhängigen Steuern noch nicht abgelaufen ist. § 181 Abs. 5 AO führt zum Erlass des Bescheids auf den maßgebenden Zeitpunkt (z. B. Fortschreibungszeitpunkt), während § 22 Abs. 3 BewG die Richtigstellung nur für die Zukunft, also auf einen späteren Zeitpunkt, ermöglicht. Ergänzend hierzu lässt aber § 25 BewG die Nachholung einer Feststellung für einen späteren Feststellungszeitpunkt unter Zugrundelegung der Verhältnisse des Fortschreibungs- oder Nachfeststellungszeitpunktes zu, wenn die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO erfüllt sind.
Rz. 67
Fehler i. S. d. fehlerberichtigenden Fortschreibung bzw. Neuveranlagung ist jede objektive Unrichtigkeit einschließlich Rechtsfehlern, falscher Tatsachenannahmen und falscher Subsumtion. Soweit für eine Fortschreibung oder Neuveranlagung Wertgrenzen bestehen, gelten diese auch für fehlerberichtigende Fortschreibung bzw. fehlerbeseitigende Neuveranlagung.
Rz. 68
Als weitere Einschränkung zu § 22 Abs. 3 BewG wird vertreten, dass es sich um Einzelfälle handeln müsse; es dürfte keine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorliegen. M. E. ist diese Einschränkung aus dem Gesetzeswortlaut nicht zu begründen; der Begriff des Fehlers ist unabhängig davon, ob er in einem Einzelfall oder in einer Vielzahl von Fällen unterlaufen ist. Eine solche Einschränkung hätte bei der Neufassung des BewG 1965 in das Gesetz aufgenommen werden müssen. Die fehlerbeseitigende Fortschreibung darf allerdings nicht eine Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen, politischen und Verkehrsverhältnisse berücksichtigen. Damit würde eine Hauptfeststellung vorweggenommen, was im Rahmen einer Fortschreibung unzulässig ist.
Rz. 69
Sind die Voraussetzungen einer Fehlerberichtigung geg...