Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 182
Den Stpfl. darf kein grobes Verschulden daran treffen, dass Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt geworden sind. Keine Änderung ist möglich, wenn die schuldhafte Handlung ursächlich für das Nichtbekanntsein gewesen ist. Diese Einschränkung ist gerechtfertigt, da die Besteuerungsgrundlagen und Beweismittel im Verantwortungsbereich des Stpfl. entstehen und daher von ihm am ehesten erkannt werden können. Kraft der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung schadet dabei eine leicht fahrlässige oder schuldlose Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht. Die gesetzliche Regelung gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Auslegung des Begriffs "grobes Verschulden" an der sehr engen Regelung der Restitutionsklage zu orientieren wäre..
Rz. 183
Geht es um die Änderung eines Zerlegungsbescheids, spielt ein Verschulden keine Rolle, da auch nicht zwischen Änderung nach Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 1 Nr. 2 unterschieden wird. Die neuen Tatsachen stammen aus der Sphäre des Stpfl. (Arbeitslöhne als Maßstab); sein Verschulden an dem verspäteten Bekanntwerden kann nicht zulasten der benachteiligten Gemeinde gehen.
Rz. 184
Das Verschulden muss den "Steuerpflichtigen" treffen (zur Zurechnung des Beraterverschuldens vgl. Rz. 212). Stpfl. ist die in § 33 AO genannte Person.
Ist Zusammenveranlagung nach § 26b EStG beantragt worden, sind die Stpfl. Gesamtschuldner. Die Zusammenveranlagung zielt darauf ab, die Antragsteller wie einen Stpfl. zu behandeln. Die Erklärungspflichten jedes der Zusammenveranlagten erfassen alle Besteuerungsgrundlagen, auch die von dem anderen Zusammenveranlagten verwirklichten. Für die Frage des groben Verschuldens kommt es daher auf das Verschulden aller zusammenveranlagten Personen an. Das Verschulden der einen Person ist der anderen Person zuzurechnen. Da für Lebenspartner in Lebenspartnerschaften nach § 2 Abs. 8 EStG die gleichen Regeln gelten wie für Ehegatten, ist auch das Verschulden eines Lebenspartners dem anderen im Rahmen der Zusammenveranlagung zuzurechnen.
Rz. 184a
Wird der Stpfl. mit seinem Ehegatten/Lebenspartner zusammen veranlagt, muss er bei den ihm zuzurechnenden Besteuerungsgrundlagen auch Fragen hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen seines Ehegatten/Lebenspartners beantworten, wenn diese Auswirkungen auf seine eigenen Besteuerungsgrundlagen haben. Beantwortet er diese Fragen nicht, obwohl deren Relevanz für ihn nach den Erläuterungen in dem Formular erkennbar ist, trifft ihn der Vorwurf des groben Verschuldens. Andererseits ist dem Stpfl. das Verschulden seines Ehegatten/Lebenspartners nicht zuzurechnen, wenn Einzelveranlagung nach § 26a EStG erfolgt.
Rz. 184b
Nicht geklärt ist die Frage, ob auch dann grobes Verschulden vorliegt, wenn der Stpfl. die erforderlichen Tatsachen nicht kennt, aber die Obliegenheit gehabt hätte, sich die entsprechende Kenntnis zu verschaffen. Dies betrifft insbesondere § 90 Abs. 2 AO, wonach den Stpfl. bei Auslandsbeziehungen die Obliegenheit trifft, den maßgebenden Sachverhalt aufzuklären und erforderlichenfalls Beweismittel zu beschaffen.
M. E. kann aus der Nichterfüllung der Obliegenheit des § 90 Abs. 2 AO allein kein grobes Verschulden abgeleitet werden. Die Rechtsfolge des § 90 Abs. 2 AO ist nicht ein Ausschluß des Ansatzes neuer den Stpfl. begünstigender Tatsachen, sondern die Befugnis der Finanzverwaltung, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen sowie eine Umkehr der objektiven Beweislast zulasten des Stpfl. Gegen den Schätzungsbescheid kann der Stpfl. Einspruch einlegen. Tut er das nicht, ist er mit der späteren Berücksichtigung neuer, für ihn günstiger Tatsachen ausgeschlossen, aber nicht wegen des Verstoßes gegen § 90 Abs. 2 AO, sondern weil er keinen Einspruch eingelegt hat. Soweit der Tatbestand des groben Verschuldens wegen unterlassener Einspruchseinlegung nicht reicht, sind die neuen Tatsachen m. E. zu berücksichtigen, wenn nicht im sonstigen Verhalten des Stpfl., abgesehen von der Nichterfüllung der Obliegenheit des § 90 Abs. 2 AO, ein grobes Verschulden liegt. Ein solches grobes Verschulden kann aber darin liegen, dass der Stpfl. die maßgebenden Besteuerungsgrundlagen nicht erklärt hat, obwohl er nach seinen Kenntnissen und Erfahrungen davon ausgehen musste, dass diese Sachverhalte steuerlich relevant sind.