Unterlassene Erklärung: Steuerberater in eigener Sache

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

Grobes Verschulden (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO)

Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat. Grob fahrlässiges Handeln nimmt die Rechtsprechung insbesondere dann an, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt.

Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten. Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige – auch wenn ihm steuerrechtliche Kenntnisse fehlen – andererseits nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage bewusst nicht beantwortet.

Finanzamt: Erhöhte Sorgfaltsanforderungen für Steuerberater

In einem vom FG Münster entschiedenen Fall war der Kläger als Steuerberater selbstständig tätig und die Klägerin als Angestellte (für Verwaltungsarbeiten) bei dem Kläger angestellt. Am 26.11.2020 zahlte die Klägerin von ihrem Konto zum Ausgleich einer Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente einen Betrag an die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Der Kläger hatte hiervon Kenntnis.

Die DRV bestätigte die Zahlung. Den Zahlungsbeleg übergab die Klägerin an den Kläger und dieser legte den Beleg versehentlich in dem Belegordner für die Steuererklärung 2021 ab. Im Rahmen des bestandskräftigen Veranlagungsverfahrens 2020 wurde die Zahlung an die DRV nicht mit angegeben.

Im August 2022 beantragten die Kläger, die Zahlung an die DRV nachträglich als Sonderausgabe zu berücksichtigen. Erst bei der Vorbereitung der Steuererklärung für 2021 sei aufgefallen, dass die Zahlung nicht für das Jahr 2020 erklärt und die Belege in den Rentenunterlagen für 2021 abgelegt worden seien.

Wegen der allgemeinen Arbeitsüberlastung der Angehörigen der steuerberatenden Berufe, der Corona-Pandemie und unerwarteter Personalengpässe in seinem, des Klägers, Büro könne ein grobes Verschulden nicht angenommen werden.

Das Finanzamt erwiderte, dass für den als Steuerberater tätigen Kläger erhöhte Sorgfaltsanforderungen zu berücksichtigen seien. Zwar sei das Abheften im falschen Ordner als mechanisches Versehen zu qualifizieren, jedoch hätte die Rentenbeitragszahlung bei der Prüfung des Bescheides angesichts der steuerlichen Auswirkungen (ca. 5.600 EUR) auffallen müssen.

Die angespannte berufliche Situation könne den Kläger, welcher die Steuererklärung als Privatperson abzugeben habe, nicht entschuldigen. Außerdem sei ein grobes Verschulden der Klägerin darin zu sehen, dass sie die Steuererklärung nicht hinreichend überprüft habe.

FG sieht kein grobes Verschulden

Das FG Münster (Urteil v. 30.10.2024, 4 K 925/23 E, rkr.) sieht kein grobes Verschulden und hat daher eine Änderung des Steuerbescheides 2020 zugelassen.

Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, stellen keine grobe Fahrlässigkeit dar; insbesondere bei unbewussten – mechanischen – Fehlern, die selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann grobe Fahrlässigkeit – nicht stets, aber im Einzelfall – ausgeschlossen sein.

  • Nicht als grobes Verschulden anzusehen ist es etwa, wenn der Steuerpflichtige grundsätzlich um die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen weiß, die Eintragung im Steuererklärungsformular aber aufgrund eines bloßen – mechanischen – Versehens unter erschwerten Arbeitsbedingungen unterbleibt (BFH, Urteil v. 10.2.2015, IX R 18/14).
  • Auch in der versehentlichen Ablage einer Rechnung bei den Belegen des Folgejahres ist nicht notwendig ein grobes Verschulden zu sehen (FG Köln, Urteil v. 5.9.1991, 7 K 7469/90).

Einem Steuerpflichtigen kann aber ein eigenes grobes Verschulden angelastet werden, wenn er die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen hat und ihm ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt wurden.

Aufgrund dieser und weiterer Grundsätze des BFH kommt das FG zu dem Ergebnis, dass die Kläger kein grobes Verschulden daran trifft, dass dem Finanzamt die Zahlung an die DRV erst nachträglich bekannt geworden ist.

FG zu den besonderen Sorgfaltsanforderungen für Steuerberater

Ein grobes Verschulden des Klägers liege auch unter Berücksichtigung der besonderen Sorgfaltsanforderungen für Steuerberater nicht vor.

Die fehlende Angabe der Beitragszahlung sei im Ausgangspunkt und auch im Kern auf ein bloßes mechanisches Versehen – nämlich die versehentliche Ablage des Zahlungsbelegs im Belegordner für 2021 – zurückzuführen. Hierbei handele es sich um eine üblicherweise vorkommende Nachlässigkeit, welche bei Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nicht als grobes Verschulden qualifiziert werden kann (sog. Alltagsversehen). In der falschen Ablage eines Belegs könne kein schwerwiegender Sorgfaltsverstoß gesehen werden. Denn derartige Versehen können in der Hektik des Alltags jederzeit und jedermann passieren.

Gegen ein grobes Verschulden spreche zudem die besondere Situation, in welcher sich der Kläger im Jahr 2021 befunden hat. Es sei bekannt, dass die Angehörigen der steuerberatenden Berufe aufgrund des allgemeinen Fachkräftemangels und der zahlreichen Zusatzaufgaben – insbesondere in der Corona-Pandemie – einer enormen Arbeitsbelastung ausgesetzt waren.

Auch die Klägerin treffe kein grobes Verschulden. Es sei grundsätzlich zulässig, die Steuerangelegenheiten dem anderen Ehegatten zu überlassen. Zudem war der Kläger als Steuerberater entsprechend qualifiziert, sodass die Ehefrau davon ausgehen konnte, dass er alle steuerlich relevanten Aufwendungen berücksichtigt hat, so das FG.


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