Rz. 108

Es sind z. B. folgende Fallgruppen möglich:

  • Ein Vermögenszuwachs wird in dem ESt-Bescheid nicht erfasst in der Annahme, er unterliege der SchenkungSt.
  • Eine Einnahme oder eine Ausgabe wird in dem ESt-Bescheid des Stpfl. A nicht erfasst in der Annahme, sie sei B zuzurechnen.
  • Eine Einnahme oder Ausgabe wird in der Veranlagung des Stpfl. A für das Jahr 01 nicht erfasst in der Annahme, sie sei im Jahr 02 zu erfassen.
  • Ein Vorgang wird in dem Bescheid über die gesonderte Feststellung nicht erfasst in der Annahme, er sei im Folgebescheid zu erfassen.

Abs. 3 ist nicht nur anwendbar, wenn die unrichtige Nichtberücksichtigung des Sachverhalts bei der erstmaligen Steuerfestsetzung erfolgt, sondern auch dann, wenn der Sachverhalt in dieser ersten Steuerfestsetzung berücksichtigt war, dann aber durch Änderung des Steuerbescheids aufgrund unrichtiger Sachverhaltsannahme oder Rechtsansicht[1] unberücksichtigt bleibt. Dann kann der geänderte Steuerbescheid nach § 174 Abs. 3 AO abermals geändert und der Sachverhalt erfasst werden.[2]

 

Rz. 109

Abs. 3 ist aber nur anwendbar, wenn es um die zeitliche, sachliche oder persönliche Zuordnung der steuerlichen Auswirkungen eines bestimmten Sachverhalts geht. Nicht anwendbar ist die Vorschrift, wenn die Erfassung des Sachverhalts in einem bestimmten Besteuerungszeitraum unterbleibt, weil die Finanzbehörde annimmt, die entsprechenden Besteuerungsgrundlagen aufgrund eines anderen, später verwirklichten Sachverhalts erfassen zu können.[3] Das ist etwa der Fall, wenn das FA bei der Betriebsaufspaltung den tatsächlich vorliegenden Tatbestand der Beendigung der Betriebsaufspaltung und die damit verbundene Überführung der Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen verkennt und davon ausgeht, dass es später aufgrund eines anderen Beendigungs- oder Entnahmevorgangs zu einer Besteuerung der stillen Reserven kommt. Dann geht es nicht um die zeitliche Zuordnung eines bestimmten Besteuerungstatbestands, der Entnahme, zu einem bestimmten Besteuerungszeitraum, sondern um die Besteuerung eines anderen Besteuerungstatbestands, nämlich die spätere Beendigung der personellen und/oder sachlichen Verflechtung, eine spätere Veräußerung, Entnahme oder sonstige Gewinnrealisierung.[4] Unterlässt die Finanzbehörde die Besteuerung in der Annahme, es werde in der Zukunft ein Gewinnverwirklichungstatbestand realisiert und daher der Gewinn der Besteuerung unterworfen, führt dies nicht zur Anwendung des § 174 Abs. 3 AO.

 

Rz. 110

Ebenfalls nicht anwendbar ist die Vorschrift, wenn die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns unterbleibt, weil die Finanzbehörde von der Bildung einer Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG ausgeht. "Bestimmter Sachverhalt" ist nicht die Annahme des FA, dass der Veräußerungsgewinn irgendwann zu besteuern ist, sondern die Veräußerung einerseits, die Bildung und Auflösung oder Übertragung der Rücklage andererseits. Es handelt sich daher um zwei verschiedene Sachverhalte, sodass § 174 Abs. 3 AO nicht anwendbar ist.[5]

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