Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 140
Üblicherweise wird auch das Problem der "bilanziellen Folgeänderung" unter § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO subsumiert, also die Fälle, in denen die Änderung eines Bilanzansatzes Auswirkungen auf die Posten der nachfolgenden Bilanzen hat. Die Rechtsprechung sieht in der Änderung des bilanziellen Schlussvermögens, die steuerliche Auswirkungen auf Folgejahre hat, ein "Ereignis mit Rückwirkung". Aufgrund des Grundsatzes des Bilanzzusammenhangs sei das Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres materielles Tatbestandsmerkmal für die Gewinnermittlung des Folgejahres. Die Änderung dieses Schlussvermögens sei daher ein rückwirkendes Ereignis. Wird das Betriebsvermögen auf den Schluss eines Wirtschaftsjahres geändert, und wirkt sich diese Änderung auf die Höhe des Gewinns der Folgejahre aus, so soll dies ein rückwirkendes Ereignis für die Veranlagungen der Folgejahre darstellen. Dabei komme es nicht darauf an, ob es sich um eine Bilanzberichtigung, eine Bilanzänderung oder eine nicht förmliche Änderung von Bilanzansätzen handle. Maßgebend sei allein, dass die Änderung eines Bilanzansatzes Auswirkungen auf die Gewinnermittlung eines Folgejahres hat, für das bereits eine bestandskräftige Steuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung vorliegt. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Festsetzungsfrist für die Änderung aufgrund des rückwirkenden Ereignisses ist dann der Erlass des Änderungsbescheids, in dem die Korrektur des Betriebsvermögens erstmalig berücksichtigt wurde. Wird dieser Bescheid angefochten, ist auf denjenigen Zeitpunkt abzustellen, in dem die Bilanzkorrekturen materiell wirksam wurden, also ggf. der Eintritt der Rechtskraft des gerichtlichen Urteils. Erst in diesem Zeitpunkt steht die Bilanzänderung als rückwirkendes Ereignis endgültig fest und ist damit die rückwirkende Änderung des Sachverhalts eingetreten. Die entsprechenden Änderungen sind nach Auffassung des BFH für alle Folgejahre durchzuführen, für die die Änderung des Betriebsvermögens steuerliche Folgerungen hat. Ist für eines dieser Jahre, trotz des erneuten Beginns der Festsetzungsfrist, Festsetzungsverjährung eingetreten, ist danach die Gewinnkorrektur der Folgejahre so durchzuführen, als wäre der Gewinn des Zwischenjahres entsprechend angepasst worden. Dies kann eine Durchbrechung des Bilanzzusammenhangs erfordern.
M. E. handelt es sich aber hier nicht um ein Problem des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, sondern des § 173 AO.