Rz. 150

Rechtsfolge des Eintritts eines Ereignisses mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit ist, dass die Steuerfestsetzung erlassen, geändert oder aufgehoben werden muss. Nach dem Wortlaut des Gesetzes "ist" die Steuerfestsetzung zu ändern oder aufzuheben. Das Gesetz enthält also eine unbedingte Verpflichtung der Finanzbehörde zur Berücksichtigung des rückwirkenden Ereignisses; ein Ermessen steht der Finanzbehörde nicht zu.[1] Die Regelung, dass eine Steuerfestsetzung auch (erstmals) erlassen werden kann, beinhaltet zwar keine Regelung zur Durchbrechung der Bestandskraft, ist jedoch praktisch bedeutsam durch den (späteren) Beginn der Festsetzungsfrist (Rz. 164).

 

Rz. 151

Wird die Steuerfestsetzung geändert, handelt es sich um eine punktuelle Änderung, d. h., es dürfen nur diejenigen Besteuerungsgrundlagen geändert werden, auf die sich das rückwirkende Ereignis auswirkt. Es dürfen aber alle steuerlichen Folgen aus dem durch das rückwirkende Ereignis geänderten Sachverhalt neu beurteilt werden. War bei der steuerlichen Behandlung des ursprünglichen Sachverhalts ein Rechtsfehler unterlaufen, kann dieser korrigiert werden. Bei der steuerlichen Würdigung des veränderten Sachverhalts muss nicht etwa der ursprüngliche Rechtsfehler übernommen werden.[2]

 

Rz. 152

Die übrigen Besteuerungsgrundlagen sind unverändert zu übernehmen. Sonstige Tatsachen- oder Rechtsfehler, für die kein Änderungstatbestand erfüllt ist, können nur im Rahmen des § 177 AO berücksichtigt werden. Das betrifft bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten auch Besteuerungsgrundlagen des anderen Ehegatten. Insoweit können keine Änderungen vorgenommen werden, auch wenn das bei dem einen Ehegatten eingetretene rückwirkende Ereignis Auswirkungen auf die Besteuerungsgrundlagen des anderen Ehegatten hat, wie dies bei dem Abzug von Versicherungsbeiträgen als Sonderausgaben der Fall sein kann. Die Sonderausgaben sind bei jedem Ehegatten gesondert zu ermitteln und bilden daher jeweils einen anderen Sachverhalt, sodass das rückwirkende Ereignis des einen Sachverhalts kein rückwirkendes Ereignis für den anderen Sachverhalt bildet.[3]

 

Rz. 153

Da die Festsetzungsfrist für die Änderung oder Aufhebung erst mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres beginnt, in dem das Ereignis eintritt (Rz. 164), kann eine Änderung oder Aufhebung der Steuerfestsetzung noch lange Zeit nach dem betreffenden Veranlagungszeitraum erfolgen, z. B. wenn der Stpfl. in langwierige zivilrechtliche Rechtsstreitigkeiten verwickelt ist, deren Ausgang ein "rückwirkendes Ereignis" begründet (Rz. 86ff.). Angesichts der unbedingten Verpflichtung der Finanzbehörde zur steuerlichen Berücksichtigung des rückwirkenden Ereignisses liegt es in der Verantwortungssphäre des FA, wenn die Steuerakten wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfristen vernichtet werden und daher der zu ändernde Steuerbescheid nicht mehr bekannt ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem FA bekannt ist, dass, z. B. infolge von Rechtsstreitigkeiten über die Höhe des Kaufpreises bei einer Betriebsveräußerung, ein rückwirkendes Ereignis eintreten kann. Insoweit trägt die Finanzbehörde die objektive Beweislast, da es in ihrer Verantwortungssphäre lag, die Akten so lange aufzubewahren, wie sie erkennbar noch steuerlich von Bedeutung sein können.[4]

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