Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 1
Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 183 AO zu sehen, in dem bis Vz 2023 die Bekanntgabe bei einheitlicher Feststellung für alle Gesellschaften und Gemeinschaften geregelt war. Durch Gesetz v. 22.12.2023 wurde diese Regelung in zwei selbständige Vorschriften aufgespalten. Hintergrund ist die Anpassung der AO an das Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz, durch das der BGB-Gesellschaft und den Personenhandelsgesellschaften volle Rechtsfähigkeit zuerkannt wurde.
Das steuerliche Verfahrensrecht war daran anzupassen. In § 14a Abs. 2 AO sind die rechtsfähigen Personenvereinigungen, in § 14a Abs. 3 AO die nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen aufgeführt. Wegen der unterschiedlichen Struktur der rechtsfähigen und der nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen wurden auch die Vorschriften über die Bekanntgabe angepasst. § 183 AO (neu) regelt die Bekanntgabe an eine rechtsfähige Personenvereinigung, § 183a AO (neu) die Bekanntgabe an eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung. § 183a AO entspricht in seinem Inhalt weitgehend § 183 AO (alt), sodass die bisherige Vorschrift im Zusammenhang mit § 183a AO kommentiert wird.
Rz. 2
§ 183a AO stellt eine Sonderregelung zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten dar, die die allgemeinen Regeln über die Bekanntgabe ergänzt. Die Vorschrift regelt nur die Bekanntgabe, nicht die Adressierung des Bescheids, setzt also die richtige Adressierung an den Inhaltsadressaten voraus. § 34 Abs. 2 AO gilt unmittelbar nicht, sodass die Bekanntgabe an nur einen beteiligten mit Wirkung für alle Beteiligten nicht genügt. § 34 Abs. 2 AO betrifft nur Steuerbescheide und sonstige Verwaltungsakte, bei denen die Personengemeinschaft selbst Steuerschuldner ist. Feststellungsbescheide richten sich aber an die Beteiligten, nicht an die Personengemeinschaft selbst, sodass § 183a AO die Regelung des § 34 Abs. 2 AO verdrängt.
Soweit mehrere Feststellungsbeteiligte betroffen und daher Inhaltsadressaten sind, ist der Verwaltungsakt an sich jedem Feststellungsbeteiligten gesondert bekannt zu geben. Für Feststellungsbescheide bei nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen gibt § 183a AO zur Vereinfachung die Möglichkeit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts an nur eine Person. Die Bekanntgabe erfolgt danach an einen rechtsgeschäftlich bestellten Empfangsbevollmächtigten oder hilfsweise einen fiktiv bestellten Empfangsbevollmächtigten. Diese Vorschrift korrespondiert mit § 352 Abs. 1 Nr. 2 AO, der die Rechtsbehelfsbefugnis, und § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO, der die Klagebefugnis in ähnlicher Weise regelt und beschränkt. Eine § 183a AO entsprechende Vorschrift enthält § 6 der VO zu § 180 Abs. 2 AO. Mit § 183a AO wird verhindert, dass bei mehreren oder vielen Feststellungsbeteiligten die Feststellungsbescheide jeder Person bekannt gegeben werden müssen, die an dem Gegenstand der Feststellung (Einkünfte, Einheitswert, Grundsteuerwert) beteiligt ist. Neben dem Erleichterungseffekt dient die Vorschrift auch der Rechtssicherheit. Es wird ein einheitlicher Bekanntgabezeitpunkt und damit ein einheitlicher Lauf der Rechtsbehelfsfrist und eine einheitliche Wahrung der Feststellungsfrist erreicht.
Rz. 3
Die Vorschrift gilt nur, wenn mehrere Personen Feststellungsbeteiligte und daher die Inhaltsadressaten sind. Voraussetzung ist, dass die Personenvereinigung tatsächlich besteht. Wird das Bestehen nur angenommen, stellt sich aber später heraus, dass die Personenvereinigung nicht besteht, ist eine Bekanntgabe nach § 183a AO nicht zulässig, sondern unwirksam.
Die Bekanntgaberegelung des § 183a AO gilt nicht für Verwaltungsakte, die die Personenvereinigung selbst als Steuerschuldner betreffen, z. B. GewSt-Messbescheide und USt-Bescheide. Diese sind nicht nach § 183a AO, sondern an den Vertretungsberechtigten, also das Organ der Gesellschaft, bekanntzugeben.
Rz. 4
Obwohl durch die Bekanntgabeerleichterung der Rechtsschutz der Feststellungsbeteiligten eingeschränkt werden kann, begegnet die Vorschrift keinen rechtsstaatlichen Bedenken. Soweit ein gemeinsamer Bekanntgabebevollmächtigter nach Abs. 1 S. 1 bestellt wird, beruht dies auf der Willensentscheidung jedes einzelnen Feststellungsbeteiligten, deren Folgen er bei Bestellung des Bevollmächtigten abwägen kann. Bedenklich könnte die Bekanntgabe an den fiktiv Bevollmächtigten nach Abs. 1 S. 3 sein. Für diesen Fall sieht Abs. 2 aber Einzelbekanntgabe vor, wenn dies zur Rechtswahrung eines der Feststellungsbeteiligten erforderlich ist. Jeder Feststellungsbeteiligte kann bei dem FA auf Einzelbekanntgabe an sich hinwirken. Das FA hat auch im Rahmen seiner Ermessensentscheidung die Bekanntgabeinteressen der einzelnen Feststellungsbeteiligten zu berücksichtigen. Im Gesamtzusammenhang berücksichtigt die Vorschrift die Rechtsschutzinteressen der Feststellungsbeteiligten in angemessener Weise.