Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 40
Eine Bekanntgabe kann nach § 183a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO auch insoweit nicht an den gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten erfolgen, als ein Feststellungsbeteiligter die Beteiligung aufgegeben hat (ausgeschieden ist); auch dann ist an ihn direkt bekanntzugeben."Ausscheiden" bedeutet auch Tod eines Feststellungsbeteiligten, ohne dass ein Erbe an seine Stelle tritt.
Der Kenntnis der Behörde vom Ausscheiden eines Feststellungsbeteiligten steht es gleich, wenn das Ausscheiden im Handelsregister eingetragen ist. Diese Folge beruht nicht auf der Publizität des Handelsregisters, sondern auf der sich aus § 88 AO ergebenden Verpflichtung der Finanzbehörde, sich (zumindest) aus allgemein zugänglichen Quellen wie dem Handelsregister zu informieren. Insoweit ist es nicht sachgerecht, der Obliegenheit der Feststellungsbeteiligten Vorrang vor der Ermittlungspflicht des FA einzuräumen. Ein Bestehen auf den Wirkungen der Bekanntgabe an den ausgeschiedenen Feststellungsbeteiligten, obwohl das FA die Tatsache des Ausscheidens mit leichter Mühe hätte ermitteln können und die Nichtkenntnis daher auf einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht beruht, wäre ermessensfehlerhaft.
Rz. 41
Eine Bekanntgabe an den ausgeschiedenen Feststellungsbeteiligten ist ab dem Zeitpunkt erforderlich, zu dem er aus der Personenvereinigung ausgeschieden ist, und zwar auch für solche Verwaltungsakte, die Zeiträume vor dem Ausscheiden betreffen. Maßgebend ist also der Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt bekanntzugeben ist. An die verbleibenden Feststellungsbeteiligten kann weiter nach § 183a Abs. 1 S. 2, 3 AO bekannt gegeben werden.
Auch im Falle des Ausscheidens kann weiterhin an einen rechtsgeschäftlich bestellten Empfangsbevollmächtigten unter den Voraussetzungen des § 183a Abs. 2 S. 2 AO bekannt gegeben werden. Der Ausschluss der Bekanntgabeerleichterung betrifft daher nur die fiktive Empfangsvollmacht nach § 183a Abs. 1 S. 2, 3 AO. Einzelheiten hierzu Rz. 27ff. Die Bekanntgabe nach § 183a Abs. 1 AO ist erst dann ausgeschlossen, wenn der Finanzbehörde das Ausscheiden des Feststellungsbeteiligten bekannt geworden ist. Hierzu gelten die Ausführungen in Rz. 35 entsprechend.
Rz. 42
Von der Bekanntgabeerleichterung des § 183a Abs. 1 AO kann auch nicht mehr Gebrauch gemacht werden, soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen den Feststellungsbeteiligten ernsthafte Meinungsverschiedenheiten bestehen. Für den Tatbestand der ernstlichen Meinungsverschiedenheiten müssen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Feststellungsbeteiligten vorliegen, die das Vertrauensverhältnis in einer Weise zerstören, dass es untragbar erscheint, Verwaltungsakte ohne Bekanntgabe an jeden Betroffenen Wirkung erlangen zu lassen. Das ist bei einer sachlichen Meinungsverschiedenheit nicht der Fall. Es muss ein Streit vorliegen, der die Basis der Zusammenarbeit in weitem Umfang zerstört. Ernstliche Meinungsverschiedenheiten liegen jedenfalls dann vor, wenn die Ebene einer sachlichen Auseinandersetzung über unklare Fragen verlassen worden ist und an deren Stelle persönliche Angriffe getreten sind.
Dem Fall der Meinungsverschiedenheit zwischen den Feststellungsbeteiligten sind ernstliche Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Feststellungsbeteiligten und dem gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten gleichzustellen.
Die Einzelbekanntgabe braucht nur an denjenigen oder diejenigen Feststellungsbeteiligten zu erfolgen, die an den Meinungsverschiedenheiten beteiligt sind (arg. "insoweit"). Für die übrigen, zwischen denen keine Meinungsverschiedenheiten bestehen, kann an den gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bekannt gegeben werden.
Bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen allen Feststellungsbeteiligten, hat die Bekanntgabe an alle zu erfolgen.