7.1.1 Begriffsbestimmung
Rz. 65
Ein Duldungsbescheid ist nach § 191 Abs. 1 S. 1 AO ein Verwaltungsakt, in dem die Behörde einen gegen den Duldungspflichtigen bestehenden gesetzlichen Duldungsanspruch festsetzt . Duldungspflichtiger ist, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung in Vermögensgegenstände, die sich in seinem Eigentum oder seiner Verfügungsgewalt bzw. seinem Gewahrsam befinden, wegen eines gegen einen Dritten bestehenden Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis zu dulden. Ebenso wie der Haftungsbescheid dient der Duldungsbescheid der Verwirklichung von Steueransprüchen, die gegen einen Dritten, nämlich den Steuer- oder Vollstreckungsschuldner, bestehen. Der Duldungspflichtige wird mithin nur in eine fremde Vollstreckung mit einbezogen. Er hat insofern diese in einem fremden Vollstreckungstreckungsverfahren erfolgende Vollstreckung in sein Vermögen bzw. in einzelne Vermögensgegenstände zu dulden. Ein eigener Leistungstitel wird gegen den Duldungspflichtigen nicht geschaffen. Er ist mithin nicht zu einer Geldzahlung verpflichtet, kann diese aber zur Abwendung der Vollstreckung erbringen.
Im Gegensatz zum Haftungsbescheid setzt ein Duldungsbescheid voraus, dass der Steueranspruch zuvor festgesetzt worden ist. Des Weiteren muss der Steueranspruch fällig und nach § 251 AO vollstreckbar sein.
7.1.2 Verfahrenssystematische Einordnung
Rz. 66
Die Duldungspflicht ist eine modifizierte Form der Haftung . Die materiellen und formellen Grundregeln für die Haftung gelten demgemäß für die Duldung entsprechend. Insofern gelten die allgemeinen Anforderungen an einen Haftungsbescheid hier grundsätzlich entsprechend.
Allerdings ist die Anhörung der Berufskammer nach § 191 Abs. 2 AO bei Duldunsbescheiden nicht erforderlich.
Rz. 67
Der Erlass des Duldungsbescheids ist eine das Vollstreckungsverfahren der Finanzbehörde vorbereitende Maßnahme hinsichtlich solcher Gegenstände, die sich nicht im Vermögen oder Gewahrsam des eigentlichen Vollstreckungsschuldners befinden . Der Anspruch auf Duldung der Vollstreckung bedarf als Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. v. § 37 AO für seine Verwirklichung durch die Finanzbehörde gem. § 218 Abs. 1 AO, obgleich dies hier nicht ausdrücklich erwähnt ist, der Konkretisierung in einem Duldungsbescheid. Dieser ist Voraussetzung für das vor Beginn der Vollstreckung nach § 254 AO zu erlassende Leistungs- bzw. Duldungsgebot, selbst aber noch keine Vollstreckungsmaßnahme. Das Duldungsgebot enthält die Anordnung, aufgrund des im Duldungsbescheid festgestellten Duldungsanspruchs die Vollstreckung zu dulden. Duldungsbescheid und Duldungsgebot sind voneinander unabhängige Verwaltungsakte, die allerdings miteinander verbunden werden können .
Die Geltendmachung des gesetzlichen Rückgewähr- bzw. Duldungsanspruchs nach § 11 AnfG erfolgt durch die Anfechtungshandlung nach §§ 9, 13 AnfG. Diese Anfechtungshandlung, die für Zivilpersonen im Weg der Klage erfolgt, wird nach § 191 Abs. 1 S. 3 AO durch den Duldungsbescheid ersetzt, der den Gegenstand und den Umfang des Duldungsanspruchs bestimmt. Erst bei seinem Vorliegen kann das Duldungsgebot ergehen. Die Finanzbehörde ist nicht berechtigt, statt einen solchen Duldungsbescheid zu erlassen, eine Klage nach §§ 11, 13 AnfG zu erheben, d. h. ihr steht kein entsprechendes Wahlrecht zu, nachdem der Gesetzgeber in § 191 Abs. 1 S. 2 AO geregelt hat, dass insofern ein Verwaltungsakt zu ergehen hat.