7.2.1 Allgemeines
Rz. 68
Der Erlass eines Duldungsbescheids nach § 191 AO erfordert das Bestehen eines materiellen Duldungsanspruchs bzw. der materiellen Duldungspflicht. Dieser Duldungsanspruch der Finanzbehörde entsteht gem. § 38 AO, sobald alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind, an die das Gesetz die Duldungspflicht knüpft .
7.2.2 Duldungsnorm
Rz. 69
Voraussetzung ist einmal, dass die Normerfordernisse der die Duldungspflicht begründenden Rechtsnorm erfüllt sind.. Durch die Duldungsnorm werden die Personen des Duldungspflichtigen, der Gegenstand, in den die Vollstreckung erfolgen darf, sowie der Duldungsumfang, d. h. für welche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in welcher Höhe die Vollstreckung erfolgt, bestimmt.
§ 191 AO betrifft lediglich die Geltendmachung der materiellen Duldungspflicht . § 191 AO gilt sowohl bei Duldungsansprüchen, die originär auf Steuergesetzen beruhen, als auch bei Duldungsansprüchen, die aus zivilrechtlichen Rechtsnormen abgeleitet werden. Vertragliche Duldungsansprüche sind nach den Bestimmungen des Zivilrechts geltend zu machen.
Rz. 69a
Die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung nach dem AnfG kann nach § 191 Abs. 1 S. 2 AO durch Duldungsbescheid durchgesetzt werden. Die Befugnis der Behörde, den Verwaltungsweg durch Erlass eines Duldungsbescheids zu beschreiten, kann der Anfechtungsgegner auch nicht durch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage vor dem Zivilgericht einschränken; er kann damit auch die Sache nicht dem Finanzrechtsweg nach § 33 FGO entziehen.
Die Anfechtungsfrist nach § 7 AnfG beginnt im Zeitpunkt der Rechtsänderung. Für die Fristwahrung steht nach § 191 Abs. 1 S. 2 AO der Erlass des Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung gleich. Wird hingegen die Anfechtung im Wege der Einrede nach § 9 AnfG geltend gemacht, so muss die Finanzbehörde diese in der zivilrechtlichen Bereicherungsklage bzw. Drittwiderspruchsklage des Dritten erheben. Ist ein Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Duldunsbescheid anhängig, der sich auf das AnfG stützt, ist dieses Verfahren nach § 17 AnfG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vollstreckungsschuldners unterbrochen.
7.2.3 Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis
Rz. 70
Der Duldungsanspruch setzt begrifflich die Existenz eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis voraus . Die Duldungspflicht ist streng akzessorisch. Veränderungen, die den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis mindern oder zum Erlöschen bringen, wirken sich demgemäß unmittelbar auf den Bestand der Duldungspflicht aus. Der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ist nicht auswechselbar. Die Haftungsausschlüsse des § 191 Abs. 3–5 AO sind für den Duldungsanspruch ohne Bedeutung. Insbesondere unterliegt der Duldungsanspruch anders als der Haftungsanspruch nicht der Festsetzungsverjährung.
Rz. 70a
Anders als bei der Geltendmachung des Haftungsanspruchs muss für die Geltendmachung des Duldungsanspruchs der zugrunde liegende Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis festgesetzt sein, da nur festgesetzte Ansprüche verwirklicht werden und nach § 251 AO Vollstreckungsgrundlage sein können. Die Festsetzung der Ansprüche braucht allerdings nicht bestandskräftig zu sein. Für die Duldungspflicht des Anfechtungsgegners ist dann § 14 AnfG zu beachten. D.h. , dass eine noch nicht bestandskräftige und noch nicht endgültige Steuerfestsetzung nur die Wirkung ein...