Rz. 8

Nach gesetzgeberischer Vorstellung soll § 2 AO klarstellen, dass gem. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG unmittelbar geltendes innerstaatliches Recht den normalen Steuergesetzen vorgeht.[1] Diese Vorstellung geht jedoch fehl, weil § 2 Abs. 1 AO als Bestimmung des einfachen Bundesrechts keinen allgemeinen Vorrang von Völkervertragsrecht vor den innerstaatlichen Steuergesetzen zu begründen vermag.[2] Allenfalls könnte der § 2 Abs. 1 AO die Subsidiarität der nationalen Steuergesetze gegenüber Doppelbesteuerungsabkommen und anderen völkerrechtlichen Verträgen im Steuerrecht anordnen.[3]

Eine Klarstellung kann hier allerdings nur in der Form einer "regelnden" Klarstellung angenommen werden. Gesetze, die eine völkerrechtliche Vereinbarung nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG übernehmen, sind i. d. R. einfache Bundesgesetze, die allerdings zusätzlich von der Wirksamkeit der völkerrechtlichen Vereinbarung abhängig sind (s. Rz. 17). Diese Gesetze kann der Gesetzgeber ändern oder aufheben. Der völkerrechtliche Vertrag hindert dies nicht, einen entgegenstehenden Grundsatz gibt es nicht, sofern nicht allgemeine Regeln des Völkerrechts[4] betroffen sind.[5] § 2 AO kann deshalb insoweit nicht die klarstellende Wiedergabe der bestehenden Rechtslage bedeuten. Die Vorschrift ist selbst nur einfaches Bundesrecht. Sie kann daher nicht bewirken, dass eine bundesgesetzliche Änderung der durch ein Transformationsgesetz[6] Bundesrecht gewordenen Vorschrift ein Vorrang eingeräumt wird. Haben völkerrechtliche Verträge den Rang (einfacher) Bundesgesetze, können sie entsprechend dem "lex posterior"-Grundsatz durch spätere, ihnen widersprechende Bundesgesetze verdrängt werden.[7]

[1] BT-Drs. 7/4292, 15.
[5] BVerfG v. 26.3.1957, 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309.
[6] Völkerrechtlicher Vertrag nach Art. 59 Abs. 2 GG.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge