Rz. 18
Unabhängig von Abs. 1 unterwirft Abs. 2 Grundstücke und Räume ohne zeitliche und personale Einschränkung der Nachschau, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich dort Schmuggelware oder nicht ordnungsgemäß versteuerte verbrauchsteuerpflichtige Ware befindet oder anderweitig gegen Vorschriften oder Anordnungen verstoßen wird, deren Einhaltung durch die Steueraufsicht gesichert werden soll. Bei Gefahr im Verzug kann eine Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen auch ohne richterliche Anordnung durchgeführt werden.
Die Verdachtsnachschau nach Abs. 2 unterscheidet sich in ihren Voraussetzungen und ihrem Umfang von der Nachschau nach Abs. 1. Abs. 2 erweitert die Befugnisse der Finanzbehörde, wenn ein Verdacht einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit besteht. Für diese Fälle hebt die Vorschrift nicht nur die zeitliche Einschränkung der Nachschau auf die üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten auf, sondern auch die Zurechnung der Örtlichkeiten zu bestimmten Personen, d. h. es dürfen jederzeit die Grundstücke und Räume beliebiger Personen betreten werden. Nur eine solche Auslegung entspricht dem Wesen der Verdachtsnachschau, die auf eine besondere Situation der zoll- und verbrauchsteuerpflichtigen Waren bzw. auf die Verletzung von Steueraufsichtsvorschriften ausgerichtet ist.
Rz. 19
Aus dem Wortlaut des Abs. 2 "wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen …" ergibt sich, dass ein konkreter Verdacht auf Zuwiderhandlungen gegen Steuervorschriften oder Anordnungen der Steuerbehörde gegeben sein muss. Es müssen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, aus denen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf Schmuggelware etc. geschlossen werden kann. Eine bloße unsubstantiierte Vermutung oder ein auf allgemeiner Erfahrung der Finanzbehörde beruhender Verdacht reicht nicht aus. Dass ein solcher subjektiver Verdachtsfall sich später als objektiv unbegründet erweist, steht der Rechtmäßigkeit der Verdachtsnachschau nicht entgegen.
Rz. 20
Verpflichtet zur Duldung der Nachschau nach Abs. 2 sind abweichend von Abs. 1 alle Personen, denen ein der Steueraufsicht unterliegender Sachverhalt zuzurechnen ist; es genügt schon der bloße tatsächliche Besitz (auch als Besitzdiener). Verpflichtete nach Abs. 2 können auch Personen sein, die die Schmuggelware lediglich aufbewahren.
Rz. 21
Die Nachschau kann auf Grundstücken, in Geschäfts- und Wohnräumen durchgeführt werden, dies ergibt sich aus dem Verzicht der persönlichen Beschränkung auf Selbstständige – wie in Abs. 1 – und aus der ausdrücklichen Erwähnung von Wohnräumen in Abs. 2 S. 2. Es entspricht auch dem Sinn und Zweck der Steueraufsicht, im Verdachtsfall das Betreten – unabhängig von der konkreten Nutzung – der Räume zu ermöglichen. Es muss ein konkreter Verdacht bestehen, dass sich in den betretenen Räumen Schmuggelware etc. befindet.
Das Betreten von Wohnräumen fällt unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG. Zuwiderhandlungen gegen Steuervorschriften stellen eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (die Steuerrechtsordnung als Bestandteil der öffentlichen Ordnung) dar, sodass ein Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung i. S. d. Art. 13 Abs. 3 GG gerechtfertigt ist. Dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG wird durch § 413 entsprochen.
Rz. 22
Die Verdachtsnachschau besteht – wie die Nachschau des Abs. 1 – ebenfalls in dem Betreten zwecks Vornahme besteuerungsrelevanter Prüfungen oder sonstiger Feststellungen. Da die Nachschau nach Abs. 2 einen konkreten Verdacht auf das Vorhandensein steuerpflichtiger Ware oder anderer Ware, die entgegen steuerrechtlicher Vorschriften in Besitz gehalten wird, voraussetzt, befugt Abs. 2 S. 2 auch zu einem Durchsuchen der Räume. Bei Gefahr im Verzug, wenn durch eine vorherige Einholung der Durchsuchungsanordnung der Zweck oder Erfolg der Nachschau gefährdet wäre, ist die Durchsuchung auch ohne richterliche Anordnung zulässig. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen im Hinblick auf Art. 13 Abs. 2 GG nicht; die Steueraufsichtsbeamten sind "andere Organe" i. S. dieser Vorschrift. Die Durchsuchung muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
Rz. 23
Abs. 2 befugt nur zur Durchsuchung von Grundstücken, Wohn- und Geschäftsräumen, die Durchsuchung von Personen ist nicht zulässig. Für die Durchsuchung von Personen enthält § 10 Abs. 3 ZollVG die Rechtsgrundlage.