3.4.1 Meinungsverschiedenheiten
Rz. 30
Ein Abrechnungsbescheid setzt das Vorhandensein von Streitigkeiten über die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis oder über einen Erstattungsanspruch voraus. Auch wenn es um die Lösung von Fragen geht, die unter den Beteiligten str. sind, muss m. E. die Verwendung des Worts "Streitigkeiten" anstatt "Meinungsverschiedenheiten" als verunglückt angesehen werden. Zwischen dem Beteiligten und dem FA muss es str. sein, ob, inwieweit und evtl. aus welchem Grund ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen ist. Entsprechendes gilt für das Bestehen eines Erstattungsanspruchs, wenn sich nach der vom FA nicht geteilten Auffassung des Stpfl. bei zutreffender Abrechnung ein Überhang und damit ein Erstattungsanspruch ergeben haben soll. Meinungsverschiedenheiten über das Erlöschen einer Verpflichtung sind nicht nur dann gegeben, wenn die eine beteiligte Seite das Erlöschen des Zahlungsanspruchs bejaht, die andere Seite sie verneint. Meinungsverschiedenheiten über den Erlöschensgrund reichen als Voraussetzung für einen Abrechnungsbescheid aus, wenn dieser Grund bedeutsam ist, wie z. B. in Einzelfällen zwischen Aufrechnung und Zahlung.
Rz. 31
Bei Meinungsverschiedenheiten (Streitigkeiten) ist nicht stets sofort ein Abrechnungsbescheid angebracht. Zunächst muss das FA versuchen, mündlich, fernmündlich oder schriftlich eine Annäherung oder sogar Angleichung der Standpunkte zu erreichen. Hierzu kann die Übersendung von Unterlagen in Ablichtung oder Original, die Erteilung von Kontoauszügen, die Erläuterung von Vorgängen u. Ä. dienen. Kommt es dennoch oder wegen des Unterlassens solcher Klärungsbemühungen nicht zur Beseitigung der Meinungsverschiedenheiten, kann der Stpfl. die Erteilung des Abrechnungsbescheids beantragen.
3.4.2 Entscheidung auf Antrag oder von Amts wegen
Rz. 32
Der Abrechnungsbescheid wird zwar regelmäßig auf Antrag des Stpfl. erteilt, kann aber auch von Amts wegen ergehen. § 218 Abs. 2 AO setzt nämlich anders als § 125 RAO keinen ausdrücklichen oder konkludenten Antrag voraus. Dabei steht es dem FA allerdings nicht völlig frei, ob es von Amts wegen tätig werden will. Beruft sich z. B. ein Stpfl. auf das Bestehen eines Guthabens, mit dem er aufgerechnet haben will, so kann dies Veranlassung für eine Entscheidung nach § 218 Abs. 2 AO sein. Ein Abrechnungsbescheid ist auch dann ohne ausdrücklichen Antrag zu erteilen, wenn der Stpfl. auf eine förmliche Klärung der Meinungsverschiedenheiten dringt. In diesen und ähnlichen Fällen kann man meist durch Auslegung dazu kommen, das Stellen eines Antrags anzunehmen. Durch die Einlegung und Begründung des Einspruchs gegen eine Anrechnungsverfügung (vgl. Rz. 29) kann sich ebenfalls der Erlass eines Abrechnungsbescheids als notwendig erweisen.
Rz. 33
Antragsberechtigt ist jeder, der vom FA auf Zahlung in Anspruch genommen wird oder eine Erstattung durch das FA verlangt. Dies muss nicht der Adressat eines Steuerbescheids, sondern kann auch ein Haftungsschuldner oder ein Abtretungsempfänger sein. Auch wenn keine Antragspflicht besteht und deshalb keine Schriftform erforderlich ist, ist ein schriftlicher Antrag aus Beweisgründen in jedem Fall angezeigt. Antragsfristen bestehen nicht. Für die Zuständigkeit gelten die allgemeinen Bestimmungen der AO.