Rz. 107
§ 4 Abs. 2 GewStDV bestimmt ausdrücklich, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers die GewSt-Pflicht nicht berührt. Der Gewerbebetrieb wird damit durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht etwa beendet, sodass ein neuer Gewerbebetrieb entstünde. Vielmehr besteht eine Identität, die auch dazu führt, dass ein Verlustvortrag nach § 10a GewStG bestehen bleibt. Nur wenn der Schuldner im Lauf des Verfahrens einen neuen Gewerbebetrieb eröffnet, geht diese Identität verloren. Die GewSt-Pflicht erlischt bei einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person oder einer Personengesellschaft, wenn die werbende Tätigkeit beendet wird, bei einer Kapitalgesellschaft hingegen erst mit der Einstellung jeglicher Tätigkeiten, da bei diesen die GewSt-Pflicht bereits an die Rechtsform knüpft.
Rz. 108
Auch der Veranlagungszeitraum wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb fortführt. Für die Ermittlung des Gewerbeertrags im Insolvenzverfahren gibt es keine Sonderregelungen. Schwierigkeiten ergeben sich deshalb vor allem hinsichtlich der Zurechnung von Schuldzinsen, wie dies in § 8 Nr. 1 GewStG vorgesehen ist. Diese Zurechnung hat den Sinn, die durch Fremdkapital veranlasste dauernde Verstärkung des Betriebskapitals ebenso der GewSt zu unterwerfen, wie dies mit den Zinsen geschieht, die zur Finanzierung durch Eigenkapital entstehen. Problematisch war dabei in der Vergangenheit das Element der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals. Wird über das Vermögen eines Gewerbetreibenden das Insolvenzverfahren eröffnet, dürfen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr beglichen werden, sondern sie werden zur Insolvenztabelle angemeldet und ggf. mit einer Quote befriedigt. Durch die Dauer von Insolvenzverfahren besteht die Gefahr, dass Verbindlichkeiten, insbesondere Bankverbindlichkeiten sich erhöhen, sodass die Gefahr besteht, dass während des Insolvenzverfahrens höhere Schulden entstehen als zuvor. Dies widerspricht der Intention des Gesetzgebers, zumal durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Betriebskapital i. d. R. verloren geht und nicht etwa durch Fremdkapital gestärkt wird. Nach der geltenden Rechtslage kommt gleichwohl nur ein Erlass nach §§ 163, 227 AO aus sachlichen Billigkeitsgründen in Betracht.
Rz. 109
Wird das Insolvenzverfahren im Lauf des Jahres eröffnet, erfolgt trotzdem eine Ermittlung des GewSt-Messbetrags für das ganze Jahr. Nach § 18 GewStG entsteht die Steuer mit dem Ablauf des Erhebungszeitraums, also nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Trotzdem ist nicht die gesamte Jahressteuerschuld als Masseverbindlichkeit anzusehen, da jedenfalls der Teil der Steuerschuld, der auf den Gewerbeertrag vor der Eröffnung des Verfahrens angefallen ist, nicht auf dem Verhalten des Insolvenzverwalters beruht. Damit ist eine Aufteilung der GewSt-Schuld vorzunehmen. Maßstab ist das Verhältnis des Gewerbeertrags vor und nach der Insolvenzeröffnung. Auch etwaige Zu- und Abrechnungen und Freibeträge sind zeitanteilig aufzuteilen. Bei der Frage, ob die GewSt, die aus der Auflösung stiller Reserven resultiert, als Masseverbindlichkeit anzusehen ist, wendet die Rechtsprechung die gleichen Grundsätze wie bei der ESt an.
Rz. 110
Hinsichtlich der Geltendmachung der GewSt ist ebenfalls zu differenzieren. Die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete GewSt ist Insolvenzforderung, die auf den Gewerbeertrag nach der Eröffnung des Verfahrens entfallende GewSt Masseverbindlichkeit. Dies gilt auch für die GewSt aus der Veräußerung eines Containerschiffs durch den Insolvenzverwalter. Zur Anrechnung der Vorauszahlungen auf die Jahressteuerschuld gilt das zur ESt Gesagte entsprechend (vgl. Rz. 92).