Dr. Zacharias-Alexis Schneider
Rz. 16
§ 741 ZPO (Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut bei Erwerbsgeschäft)
Betreibt ein Ehegatte, der in Gütergemeinschaft lebt und das Gesamtgut nicht oder nicht allein verwaltet, selbstständig ein Erwerbsgeschäft, so ist zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein gegen ihn ergangenes Urteil genügend, es sei denn, dass zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit der Einspruch des anderen Ehegatten gegen den Betrieb des Erwerbsgeschäfts oder der Widerruf seiner Einwilligung zu dem Betrieb im Güterrechtsregister eingetragen war.
Für den Fall der Gütergemeinschaft, in dem der das Gesamtgut nicht oder nicht allein verwaltende Ehegatte selbstständig ein Erwerbsgeschäft betreibt, enthält § 741 ZPO eine Sonderregelung. Sie hat ihre Wurzel im materiellen Recht, das in §§ 1431, 1442, 1456, 1462 BGB bei der Führung eines Erwerbsgeschäftes durch einen Ehegatten mit Einwilligung des anderen Ehegatten für das Gesamtgut wirksame Rechtsfolgen eintreten lässt. Im Interesse des allgemeinen Geschäftsverkehrs lässt § 741 ZPO in den Fällen des Betreibens eines selbstständigen Erwerbsgeschäftes durch den nicht (allein) das Gesamtgut verwaltenden Ehegatten ein gegen ihn ergangenes Urteil bzw. einen vollstreckbaren Verwaltungsakt nebst Leistungsgebot gegen ihn für die Zwangsvollstreckung ausreichen. Dies gilt nicht nur für die aus dem Erwerbsgeschäft stammenden Verbindlichkeiten wie z. B. betriebliche Steuern und ähnliche Geschäftsschulden, sondern für alle Verbindlichkeiten des Gesamtguts. § 741 ZPO i. V. m. § 263 AO konstituiert hinsichtlich der Vollstreckung in das Gesamtgut im Fall der Gütergemeinschaft eine gegenüber § 740 Abs. 2 ZPO vorrangige Ausnahmeregelung. § 741 ZPO gilt in entsprechender Anwendung des § 263 AO auch für die Vollstreckung gegen den selbstständig ein Erwerbsgeschäft führenden eingetragenen Lebenspartner, sofern im Lebenspartnerschaftsvertrag Gütergemeinschaft vereinbart wurde und der betreffende Lebenspartner das Gesamtgut nicht oder nicht allein verwaltet.
Rz. 17
Ein selbstständiges Erwerbsgeschäft ist jede auf Erzielung von Einnahmen gerichtete regelmäßige wirtschaftliche Betätigung in nicht abhängiger Form als Unternehmer. Ausreichend ist, dass der Ehegatte persönlich haftender Gesellschafter einer OHG oder KG ist. Ungenügend ist hingegen die im Wesentlichen auf Leistung einer Kapitaleinlage beschränkte Beteiligung als Aktionär, Kommanditist, Stiller Gesellschafter, Gesellschafter einer GmbH etc.
Rz. 18
Das Vertrauen des allgemeinen Geschäftsverkehrs ist jedoch dann nicht schützenswert, wenn das Fehlen der Einwilligung des allein oder mitverwaltenden Ehegatten zum Betrieb des Erwerbsgeschäftes bekannt ist oder bekannt sein hätte müssen. Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts ein Einspruch des anderen, das Gesamtgut verwaltenden Ehegatten gegen den Betrieb des Erwerbsgeschäftes oder der Widerruf seiner Einwilligung zu dem Betrieb im Güterrechtsregister eingetragen war.
Rz. 19
Bei einer nach § 263 i. V. m. § 741 ZPO unzulässigen Zwangsvollstreckung können beide Ehegatten gem. § 347 Abs. 1 AO Einspruch gegen die Vollstreckungsmaßnahme einlegen und anschließend den Finanzrechtsweg beschreiten. Die materielle Nichthaftung des Gesamtguts kann darüber hinaus vom anderen Ehegatten mit der Widerspruchsklage nach § 262 AO geltend gemacht werden.