1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 263 AO regelt die Vollstreckung gegen Ehegatten und Lebenspartner als Fall der sog. Vollstreckbarkeit mit Drittwirkung, da der "Dritte" die Vollstreckung dulden muss, ohne dass gegen ihn ein Duldungstitel erstritten werden müsste. Die Vollstreckung gegen Ehegatten bzw. Lebenspartner gestaltet sich i. d. R. deshalb schwierig, weil den Besonderheiten der ehelichen Vermögensverhältnisse bei unterschiedlichen Güterständen Rechnung zu tragen ist. Es ist bei dieser Vollstreckung vielfach mit dem Einwand zu rechnen, dass der Gegenstand, in den vollstreckt werden soll, entweder dem anderen Ehegatten/Lebenspartner oder aber dieser zum Gesamtgut gehöre. Um aus Gründen des Gläubigerschutzes solche Einwendungen auszuschließen, trifft die ZPO – ausgehend vom jeweiligen Güterstand – ins Einzelne gehende Regelungen über die Vollstreckung gegen Ehegatten/Lebenspartner. Der andere Ehegatte/Lebenspartner wird nicht Vollstreckungsschuldner, hat die Vollstreckung aber zu dulden. Seit dem 1.10.2017 können Partner gleichen Geschlechts i. S. d. § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB die Ehe schließen. Weiterhin können bestehende Lebenspartnerschaften in Ehen umgewandelt werden. Die Lebenspartnerschaften bleiben bestehen, wenn von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wurde.[1] Die Regelungen der ZPO werden durch § 263 AO auf die Vollstreckung nach der AO entsprechend angewendet. Unberührt bleibt hiervon die Eröffnung des Finanzrechtswegs unter den Voraussetzungen des § 33 FGO. Die in Bezug genommenen Vorschriften sind zwar entsprechend anzuwenden, bilden aber keine abschließende Regelung, sondern behandeln nur die wichtigsten Fallkonstellationen.

 

Rz. 2

Die Vorschrift hat nur Bedeutung, wenn sich die Steuerforderung ausschließlich gegen einen Ehegatten/Lebenspartner richtet. Haften die Ehegatten/Lebenspartner, wie beispielsweise im Fall der Zusammenveranlagung, als Gesamtschuldner der zu vollstreckenden Forderung[2] oder ist das Leistungsgebot an beide Ehegatten/Lebenspartner ergangen, handelt es sich um keinen Fall der sog. Vollstreckbarkeit mit Drittwirkung. In diesem Fall schuldet jeder der Ehegatten/Lebenspartner die Leistung, sodass auch die Vollstreckung in das Vermögen jedes einzelnen Ehegatten/Lebenspartners gehen kann. Auszunehmen sind die Fälle der Gesamtschuld aus einer Zusammenveranlagung, die nach §§ 268ff. AO mit dem Ziel der Beschränkung der Vollstreckung[3] aufgeteilt worden ist.

[1] Holzner, in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, AO, 24. Aufl. 2023, § 263 AO Rz. 20.

2 Gewahrsamsvermutung i. S. v. § 739 ZPO

 

Rz. 3

§ 739 ZPO (Gewahrsamsvermutung bei Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten und Lebenspartner)

(1) Wird zugunsten der Gläubiger eines Ehegatten gem. § 1362 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vermutet, dass der Schuldner Eigentümer beweglicher Sachen ist, so gilt, unbeschadet der Rechte Dritter, für die Durchführung der Zwangsvollstreckung nur der Schuldner als Gewahrsamsinhaber und Besitzer.

(2) Abs. 1 gilt entsprechend für die Vermutung des § 8 Abs. 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zugunsten der Gläubiger eines der eingetragenen Lebenspartner.

Nach § 739 ZPO gilt – unbeschadet der Rechte Dritter – für die Durchführung der Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten ausschließlich der Vollstreckungsschuldner als Gewahrsamsinhaber und Besitzer, wenn die Eigentumsvermutung des § 1362 BGB greift. Die Vorschrift gilt daher auch nur soweit, wie die Vermutung des § 1362 BGB reicht. Gem. § 1362 Abs. 1 BGB wird zugunsten der Gläubiger jedes der Ehegatten vermutet, dass die im Besitz eines Ehegatten oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen, Inhaberpapiere und mit Blankoindossament versehenen Orderpapiere dem Schuldner gehören.[1]

 

Rz. 4

Diese Vermutung gilt allerdings nicht im Fall des Getrenntlebens der Ehegatten, wenn sich die Sachen oder Papiere im Besitz des Ehegatten befinden, der nicht Schuldner ist.[2] Die Gewahrsamsvermutung gilt gem. § 739 Abs. 2 ZPO entsprechend auch zugunsten der Gläubiger eines Partners einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.[3] § 739 ZPO setzt aber im Übrigen voraus, dass im Zeitpunkt der Vollstreckung eine gültige Ehe besteht, sodass eine entsprechende Anwendung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften, nicht eingetragene Lebensgemeinschaften oder Haushaltsgemeinschaften nicht möglich ist.[4]

 

Rz. 5

Die Regelung des § 739 ZPO gilt für alle Güterstände.[5] Bei der Gütergemeinschaft beschränkt sich ihre Anwendbarkeit jedoch auf das Sonder- und Vorbehaltsgut,[6] da § 263 AO für das Gesamtgut die §§ 740, 741 und 743 ZPO für anwendbar erklärt.

 

Rz. 6

Nach § 1362 Abs. 2 BGB gilt die Vermutung nicht für die ausschließlich zum persönlichen Gebrauch eines Ehegatten bestimmten Sachen. Bei ihnen wird im Verhältnis der Ehegatten zueinander und zu den Gläubigern vermutet, dass sie demjenigen Ehegatten gehören, für dessen Gebrauch sie bestimmt sind. Kleidung, Schmuck, Arbeitsgeräte und ähnliche Sachen sind regelmäßig zum Gebrauch nur eines der Ehegatten bestimmt.[7] Die Beweislast für die persönliche Gebrauchsbestimmung trifft den Eheg...

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