Dr. Zacharias-Alexis Schneider
Rz. 7
Soll wegen einer Verbindlichkeit des Erblassers die Vollstreckung erst nach dessen Tod beginnen oder wegen einer anderen Verbindlichkeit des Erben in den Nachlass vollstreckt werden, kommt es darauf an, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat.
2.2.1 Vollstreckung vor Annahme der Erbschaft
Rz. 8
§ 1958 BGB (Gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Erben)
Vor der Annahme der Erbschaft kann ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden.
§ 778 ZPO (Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme)
(1) Solange der Erbe die Erbschaft nicht angenommen hat, ist eine Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, nur in den Nachlass zulässig.
(2) Wegen eigener Verbindlichkeiten des Erben ist eine Zwangsvollstreckung in den Nachlass vor der Annahme der Erbschaft nicht zulässig.
Der Erbe soll durch § 1958 BGB i. V. m. § 778 ZPO während der Ausschlagungsfrist nicht zur Entscheidung über die Annahme gedrängt werden.
Rz. 9
Obwohl nach § 1922 BGB das Vermögen des Erblassers bereits mit dem Erbfall auf den Erben übergeht, knüpft § 265 AO i. V. m. § 778 ZPO für die Zwangsvollstreckung an die Annahme der Erbschaft an, weil der Erbe nach § 1958 BGB vorher nicht belangt werden darf. Bis zu diesem Zeitpunkt ordnet § 778 ZPO eine strikte Trennung des persönlichen Vermögens des Erben (Eigenvermögen) und des Nachlasses an, da der Übergang des Nachlasses auf den Erben und damit der Haftungsgrund und der Haftungsumfang noch nicht sicher sind. Nach § 778 ZPO ist die Zwangsvollstreckung jeweils in die Vermögensmasse zulässig, zu der die Verbindlichkeit gehört. Gem. § 778 Abs. 1 ZPO darf daher wegen einer Nachlassverbindlichkeit nicht in das persönliche Vermögen des Erben vollstreckt werden, sondern grundsätzlich nur in den Nachlass. Aufgrund der Sperrwirkung des § 1958 BGB ist dies aber auch nur dann möglich, wenn entweder ein Nachlasspfleger oder ein Nachlassverwalter bestellt ist oder die Testamentsvollstreckung angeordnet ist. Der Erbe kann daher wegen einer Nachlassverbindlichkeit nicht Adressat eines von der Finanzbehörde zu erlassenden Verwaltungsakts, z. B. eines Leistungsgebotes, sein. Ihm fehlt für diesen Zeitraum die Fähigkeit, Passivbeteiligter i. S. v. § 78 Nr. 2 AO zu sein. Wegen einer Verbindlichkeit des Erben ist eine Zwangsvollstreckung in den Nachlass nach § 778 Abs. 2 ZPO vor der Annahme der Erbschaft somit nicht zulässig.
Rz. 10
Bei einem Verstoß gegen die Vorschrift des § 778 ZPO steht dem Erben das Widerspruchsrecht nach § 262 AO zu.
§ 1961 BGB (Nachlasspflegschaft auf Antrag)
Das Nachlassgericht hat in den Fällen des § 1960 Abs. 1 einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, von dem Berechtigten beantragt wird.
Rz. 11
Die Einschränkung der Vollstreckung durch § 1958 BGB findet gem. § 1960 Abs. 3 BGB keine Anwendung, wenn für den Nachlass ein Pfleger bestellt worden ist. Der Nachlasspfleger hat für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, solange der Erbe unbekannt oder es ungewiss ist, ob die Erbschaft angenommen wurde. Für die Bestellung des Nachlasspflegers gilt § 1961 BGB. Gem. § 2213 Abs. 2 BGB und § 1984 BGB kommt § 1958 BGB zudem auch nicht dem Testamentsvollstrecker oder dem Nachlassverwalter zugute.
2.2.2 Vollstreckung nach Annahme der Erbschaft
Rz. 12
Nachdem die Erbschaft angenommen ist oder als angenommen gilt, kann die Vollstreckung auch wegen einer Nachlassverbindlichkeit in das nunmehr zusammengeführte Gesamtvermögen (persönliches Vermögen und Nachlass) des Erben beginnen. Nun kann der Erbe Beteiligter sein und es besteht keine Ungewissheit darüber, dass der Nachlass zu seinem Vermögen gehört (Beendigung des Schwebezustandes). Unberührt bleibt die Frage, ob im Einzelfall eine Haftungsbeschränkung greift.
2.2.2.1 Zwangsvollstreckung aufgrund unbeschränkter Erbenhaftung
Rz. 13
§ 781 ZPO (Beschränkte Erbenhaftung in der Zwangsvollstreckung)
Bei der Zwangsvollstreckung gegen den Erben des Schuldners bleibt die Beschränkung der Haftung unberücksichtigt, bis aufgrund derselben gegen die Zwangsvollstreckung von dem Erben Einwendungen erhoben werden.
Vor dem Wirksamwerden einer Haftungsbeschränkung besteht keine rechtliche Trennung zwischen Nachlass und Eigenvermögen des Erben mehr. Sowohl Nachlass- als auch Eigengläubiger des Erben können in das gesamte (einheitliche) Vermögen vollstrecken. Die Finanzbehörde kann daher nach Bekanntgabe des Leistungsgebots an den Erben und nach Ablauf der Wochenfrist des § 254 Abs. 1 S. 1 AO solange in das Vermögen des Erben vollstrecken, bis dieser hinsichtlich einer Nachlassverbindlichkeit die Beschränkung der Haftung auf...