6.1 Rechtsnatur der Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft

 

Rz. 29

Die Aufforderung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung im Termin ist ein einheitlicher selbstständiger Verwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren, auf den die allgemeinen Regelungen der §§ 118ff. AO Anwendung finden. Die Aufforderung ist eine die Zahlungsverjährung nach § 231 Abs. 1 AO unterbrechende Vollstreckungsmaßnahme.[1] Die Aufforderung hat i. V. m. der Ladung schriftlich zu erfolgen. Im Hinblick auf die vollziehungshemmende Wirkung eines Einspruchs ist es sachgerecht, die Aufforderung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung[2] zu versehen, damit eine zeitnahe Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme erreicht werden kann.[3]

6.2 Zuständigkeit

 

Rz. 30

Nach § 284 Abs. 5 S. 1 AO ist für die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft die Vollstreckungsbehörde i. S. v. § 249 Abs. 1 S. 2 AO örtlich zuständig, in deren Bezirk sich der Wohnsitz[1] oder der Aufenthaltsort[2] des Vollstreckungsschuldners befindet.[3] Die vollstreckende Finanzbehörde muss ggf. die örtlich zuständige Finanzbehörde um Amtshilfe[4] ersuchen. Die ersuchte Finanzbehörde hat kein eigenes Prüfungsrecht, sondern muss dem Ersuchen entsprechen. Die vollstreckende – örtlich unzuständige – Finanzbehörde kann nach § 284 Abs. 5 S. 2 AO die Vermögensauskunft allerdings selbst abnehmen, wenn der Vollstreckungsschuldner trotz der örtlichen Unzuständigkeit zur Abgabe der Erklärung bereit ist. Für einen Zuständigkeitswechsel gilt die allgemeine Bestimmung des § 26 AO.[5]

[1] § 8 AO; vgl. auch Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 284 AO Rz. 41ff.
[5] BFH v. 2.3.2004, VII B 326/03, n. v., Haufe-Index 1165723.

6.3 Befugnis zur Abnahme

 

Rz. 31

Für die tatsächliche Abnahme der Vermögensauskunft ist die Vollstreckungsbehörde zuständig. Innerhalb der vollstreckenden Finanzbehörde ist entsprechend § 95 Abs. 2 AO der Behördenleiter oder sein ständiger Vertreter befugt.[1] Die Abnahmebefugnis folgt aus der organisatorischen Rechtsstellung, ohne dass bei diesen Amtsträgern eine besondere juristische Qualifikation vorliegen muss.[2]

 

Rz. 32

Der Behördenleiter oder sein ständiger Vertreter kann die Abnahmebefugnis allgemein oder im Einzelfall delegieren. Diese Delegation kann formfrei erfolgen, wenn der mit der Abnahme der Vermögensauskunft betraute Amtsträger die Befähigung zum Richteramt bzw. für den höheren Verwaltungsdienst[3] besitzt. Die Delegation der Abnahmebefugnis auf andere Amtsträger hat nach § 95 Abs. 2 S. 3 AO schriftlich zu erfolgen.[4] Personen, die nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes sind, können nicht zur Abnahme der Vermögensauskunft ermächtigt werden. Der Vollziehungsbeamte kann zwar unter diesem Gesichtspunkt mit der Abnahme der Vermögensauskunft beauftragt werden, er ist allerdings nicht befugt, im Anschluss an eine fruchtlose Pfändung die Vorlage des Vermögensverzeichnisses und Leistung der Vermögensauskunft zu fordern und die Vermögensauskunft gleich abzunehmen, auch wenn der Vollstreckungsschuldner hierzu bereit ist. Der Vollziehungsbeamte ist nur in das Vollstreckungsverfahren in Sachen[5] eingebunden mit den in § 287 AO aufgezählten Befugnissen. Die Entscheidung über die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft ist für den Vollstreckungsschuldner so schwerwiegend, dass sie nicht auf der Ebene des Vollziehungsbeamten "vor Ort" getroffen werden darf.

[1] Weitergehend Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 284 AO Rz. 44.
[2] S. § 95 AO Rz. 17; enger Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 284 Rz. 24.
[3] §§ 5, 110 DRiG; weitergehend Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 284 Rz. 44.
[4] Schmitz, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 95 AO Rz. 17.

6.4 Ermessen

 

Rz. 33

Die Finanzbehörde hat zunächst von Amts wegen festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Abnahme der Vermögensauskunft vorliegen.[1] Wenn dann die Voraussetzungen für die Abnahme der Vermögensauskunft vorliegen, liegt eine Aufforderung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und zur eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit gem. § 284 Abs. 3 S. 1 AO nicht mehr im Ermessen der Finanzbehörde. Die Versicherung an Eides statt hat stets zu erfolgen.[2] Die entsprechende Rechtsprechung zur Ermessensausübung ist deshalb nunmehr nicht mehr einschlägig.[3]

 

Rz. 34

An die Ermessensausübung waren und sind jetzt auch teilweise noch wegen der u. U. erheblichen nachteiligen Folgen, die die Eintragung im Schuldnerverzeichnis für den Vollstreckungsschuldner haben kann, besonders strenge Anforderungen zu stellen. Wie für jede Verwaltungsmaßnahme muss die Finanzbehörde darüber hinaus für die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des angewandten Mittels beachten.[4] Das eingesetzte Mittel muss geeignet und erforderlich sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Es ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist erf...

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