Rz. 71
Die große Zahl der im Geltungsbereich der AO vorhandenen Steuern ergibt zwar kein in sich ausgewogenes, abgeschlossenes Steuersystem. Der gegenwärtige Rechtszustand ist vielmehr das Ergebnis einer längeren geschichtlichen Entwicklung mit Überschneidungen und unabgestimmtem Nebeneinander. Es ist gekennzeichnet durch die Erfahrung, dass sich in besonderen Situationen der Not Steuern einführen und erweitern, diese sich später aber kaum wieder beseitigen lassen. Wegen des Fehlens eines ausgereiften Systems ist auch eine systematische Gliederung der Gesamtheit der Steuern nicht möglich. Eine Einteilung der Steuern kann daher nur nach anderen Gesichtspunkten vorgenommen werden.
4.1 Gegenstand der Besteuerung
Rz. 72
Realsteuern (Objektsteuern) sind Steuern, die nach rein objektiven Merkmalen auf einer Sache oder einem Sachinbegriff lasten und die persönlichen Verhältnisse des Stpfl. unberücksichtigt lassen. Nach § 3 Abs. 2 AO sind Realsteuern die GrSt und die GewSt. Die GewSt hat sich zwar durch den Wegfall der Lohnsummensteuer und der Besteuerung des Gewerbekapitals von einer Realsteuer in Richtung auf eine Ertragsteuer, also eine Personensteuer und Besitzsteuer, entwickelt. Dies ist indes wegen der Legaldefinition des § 3 Abs. 2 AO und der in Art. 106 Abs. 6 GG getroffenen Regelung (dazu Rz. 79) ohne rechtliche Bedeutung.
Rz. 73
Personensteuern (Subjektsteuern) sind Steuern, zu denen einzelne Personen nach bestimmten sachlichen Merkmalen herangezogen werden:
- Besitzsteuern: Steuern vom Einkommen und Ertrag (ESt, KSt, KiSt, SolZ).
- Verkehrsteuern: Steuern, die an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts, an einen wirtschaftlichen Vorgang oder an einen Verkehrsvorgang anknüpfen; ganz oder teilweise bundesgesetzlich geregelt: FeuerschutzSt, KfzSt, Rennwett- u. LotterieSt, USt, VersicherungSt, GrESt, Spielbankabgabe. Die LuftverkehrSt ist ebenfalls eine Verkehrsteuer.
- Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 5 Nr. 20 und 21 UZK (bis 30.4.2016: Art. 4 Nr. 10 und 11 ZK): Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung bei der Einfuhr oder Ausfuhr von Waren, Abschöpfungen und andere bei der Einfuhr oder Ausfuhr erhobener Abgaben im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik.
- Verbrauchsteuern: Steuern, die beim Übergang von Gegenständen aus der steuerlichen Gebundenheit in den freien Verkehr erhoben werden, die an einen Aufwand oder das Halten einer Sache anknüpfen. Außer den bundesgesetzlich geregelten Steuern (BierSt, BranntwMonAbg, KaffeeSt, SchaumwZwSt, TabakSt, EnergieSt, StromSt) sind dies z. B. GetränkeSt, SpeiseeisSt, VergnügungSt, HundeSt. Derzeit umstritten ist die Einordnung der KernbrennstoffSt als Verbrauchsteuer.
4.2 Direkte und indirekte Steuern
Rz. 74
Bei den direkten Steuern sollen Zahler und Träger der Steuer dieselben Personen sein (z. B. ESt). Indirekte Steuern sind hingegen darauf angelegt, dass der Steuerzahler die Steuerlast auf eine andere Person abwälzen kann (z. B. USt, VerbrauchSt). Diese von der Art der Belastung ausgehende Unterscheidung ist allerdings nur soweit zutreffend, als die mit einer direkten Steuer belasteten Personen regelmäßig nicht in der Lage sind, diese Steuern bei ihrem wirtschaftlichen Verhalten einzukalkulieren und damit auf andere Personen überzuwälzen. In der Realität kann jedoch eine direkte Steuer abwälzbar sein; dies geschieht z. B. regelmäßig bei der Belastung von Mietern oder Pächtern mit der GrSt (direkte Steuer).
Rz. 75
Die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Steuern ist dennoch bedeutsam, weil die Steuern in beiden Gruppen entsprechend ihrem grundsätzlichen Ergebnis ausgestaltet sind: Bei den direkten Steuern können und werden die persönlichen Verhältnisse des Steuerzahlers und -trägers weitgehend berücksichtigt. Im Zug der Erhebung indirekter Steuern beim Steuerzahler können die durchweg unbekannten individuellen Besonderheiten des Steuerträgers nicht beachtet werden. Diese Steuern können also nicht sozial ausgestaltet werden.
4.3 Aufkommen (Ertragshoheit)
Rz. 76
Art. 106 GG regelt die Ertragshoheit, d. h. die Verteilung der steuerlichen Erträge auf Bund, Länder und Gemeinden. Dabei ist derzeit nicht von allen nach dem GG möglichen Steuern Gebrauch gemacht:
- Bundessteuern: Zölle, bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern ohne BierSt, StraßengüterverkehrSt (gesetzliche Regelung ist ausgelaufen), KapitalverkehrSt (wurde aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen aufgehoben), VersicherungSt, einmalige Vermögens- und LA-Abgaben...