6 Erfolgsfaktoren für ein zielorientiertes und ausgereiftes Kennzahlensystem am Beispiel Vertrieb
Die Praxis zeigt, dass viele Unternehmen gut darin sind, allgemeine Ziele zu formulieren und sich lediglich auf einzelne finanzielle Kennzahlen fokussieren. Um den Vertrieb ganzheitlich und zielgerichtet zu steuern, sollten alle Akteure im Vertrieb Berücksichtigung finden, nämlich das Management, die Kunden und die Vertriebsmitarbeiter (Salesforce) eines Unternehmens. Viele Sales Excellence Bemühungen verpuffen jedoch, weil auf Management-Knöpfe gedrückt wird, ohne deren Auswirkungen auf die Vertriebsmitarbeiter und Kunden zu kennen. Durch zielführende, intelligente und ausgereifte Kennzahlensysteme kann jedoch die Profitabilität eines Unternehmens gesteigert werden. Intelligente Kennzahlensysteme basieren auf 6 Erfolgsfaktoren, die für nahezu jedes Unternehmen gelten.
1. Erfolgsfaktor: Breite des Kennzahlensystems
Für eine erfolgreiche Vertriebssteuerung sollte das Kennzahlensystem die Logik der Sales Profit Chain abbilden (siehe Abbildung unten, sowie vollständige Abbildung hier). Demnach sind nicht nur finanzorientierte Kennzahlen (z. B. Umsatzwachstum) oder wettbewerbsorientierte Größen (z. B. Preisinformationen), sondern auch kunden- und salesforce-bezogene Größen relevant. Hierzu zählen Kennzahlen wie das Cross-Buying und die Besuchsfrequenz. Viele Unternehmen haben bei der Breite ihres Kennzahlensystems enormes Verbesserungspotenzial. In der Praxis liegt der Fokus oft auf finanzorientierten Kennzahlen und weniger auf anderen Kennzahlen, die sich auf die mittleren Pfeiler der Sales Profit Chain (Mitarbeiter und Kunden) beziehen und Einfluss auf finanzielle Kennzahlen nehmen können.
Unternehmen weisen in Bezug auf den Erfolgsfaktor Breite des Kennzahlensystems enormes Verbesserungspotenzial auf, z. B. werden die Kennzahlen Cross-Selling Quote pro Vertriebsmitarbeiter und Share of Wallet von Kunden in nur 20 % der Unternehmen systematisch erhoben.
Die vollständige Abbildung finden Sie
hier. |
2. Erfolgsfaktor: Tiefe des Kennzahlensystems
Bei diesem Erfolgsfaktor werden die Kennzahlen in der Sales Profit Chain tiefgreifender erhoben. Hierbei wird zwischen inhaltlicher Tiefe und struktureller Tiefe unterschieden.
- Bei der inhaltlichen Tiefe werden in den relevanten SPC-Bereichen unterschiedliche Detailfacetten erfasst, z. B. werden bei einer hohen Kundenabwanderungsquote nicht nur die Kundenzufriedenheit, sondern auch weitere Zufriedenheitsfacetten erhoben (z. B. Zufriedenheit in Bezug auf die Produktqualität).
- Die strukturelle Tiefe bezeichnet Kennzahlen, die nach spezifischen Schlüsselfaktoren unterteilt werden (z. B. die Einteilung der Kunden in Cluster und nach Regionen).
3. Erfolgsfaktor: Verständnis der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge
Bei intelligenten und ausgereiften Kennzahlensystemen hat das Management ein Verständnis für die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge entlang der Sales Profit Chain. Die Einflussfaktoren der wesentlichen Kennzahlen sind hierbei bekannt und die Daten miteinander vernetzt. In exzellenten Vertriebsunternehmen ist es dem Management möglich einzuschätzen, wie sich bestimmte Maßnahmen in der Sales Profit Chain auf wesentliche Kennzahlen auswirken. Kennzahlen-Treiberbäume haben sich hierbei als hilfreiches Instrument erwiesen, die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nachzuvollziehen. Von zentraler Bedeutung ist, dass verschiedene Daten(punkte) miteinander verknüpft werden.
4. Erfolgsfaktor: Strategischer Fit der Kennzahlen
Kennzahlensysteme sollten idealerweise solche Messgrößen enthalten, die einen Zusammenhang zur Strategie eines Unternehmens aufzeigen. Dies bedeutet auch, dass Kennzahlen, die für das Erreichen der strategischen Ziele eines Unternehmens wenig relevant sind, nicht fokussiert werden sollten. Eine Veränderung der Unternehmensstrategie bedeutet zeitgleich auch eine Veränderung im Kennzahlensystem. In der Praxis gibt es hierbei einige Stolpersteine: Es kommt zu Schwierigkeiten, wenn strategisch relevante Kennzahlen fehlen und wenn viele Kennzahlen zur Vertriebssteuerung herangezogen werden, die keine hohe strategische Relevanz für das Unternehmen haben.
5. Erfolgsfaktor: Ausbalancierung der Kennzahlen zwischen den Geschäftseinheiten
Unternehmen, die in mehreren Ländern mit unterschiedlichen Geschäftseinheiten und/oder in mehreren Geschäftsfeldern aktiv sind, stehen häufig vor einem klassischen Zielkonflikt. Die Unternehmen sind aufgrund der Unterschiede in den Ländern und Geschäftsfelder kaum in der Lage, einheitliche Steuerungskennzahlen zu definieren und den Anforderungen dieser Geschäftseinheiten gerecht zu werden. Der Konflikt besteht ergo darin, die Geschäftseinheiten zentral steuern zu wollen und gleichzeitig nicht den spezifischen Geschäftsanforderungen gerecht werden zu können. Eine Lösung für diesen Zielkonflikt ist daher das Ausbalancieren der Kennzahlen zwischen den Geschäftseinheiten. Hierbei sollte es möglich sein, neben einheitlichen Messgrößen auch individuelle Kennzahlen für bestimmte Geschäftseinheiten zu ermöglichen und im Unternehmen eine Akzeptanzkultur für Abweichungen zwischen den Einheiten zu schaffen.
6. Erfolgsfaktor: Verständnis seitens der Salesforce
Ein ausgereiftes Kennzahlensystem im Vertrieb funktioniert nur dann zielgerichtet, wenn ein Bezug zur Strategie des Unternehmens hergestellt werden kann und wenn diejenigen, die daran gemessen werden (die Vertriebsmitarbeiter), den Inhalt und den Sinn der Kennzahl verstehen. In der Praxis herrscht häufig ein mangelndes Verständnis von Kennzahlen bzw. des Kennzahlensystems durch Vertriebsmitarbeiter. Hierfür können in der Regel drei Gründe aufgeführt werden:
- Die Komplexität der Kennzahl ist zu hoch, wie z. B. ROCE (Return on Capital Employed), weil der betriebswirtschaftliche Hintergrund fehlt oder das Verständnis dieser Kennzahl nicht ausreicht.
- Keine ausreichende Vermittlung des Inhalts und des Zwecks der Kennzahl. Oft werden in Unternehmen Änderungen von wesentlichen Kennzahlen nicht sorgfältig genug über alle Hierarchieebenen (von der Führungskraft bis zum Verkäufer) kommuniziert.
- Vertriebsmitarbeiter können sich wenig bis gar nicht mit der Kennzahl identifizieren, da ihnen das Ziel der Kennzahl nicht klar ist. Vertriebsmitarbeiter resignieren und finden Wege, die Kennzahl zu umgehen, was innerhalb des Unternehmens zu Konfliktpotenzial führen kann.
Zur Person
Prof. Dr. Jan Wieseke ist Lehrstuhlinhaber am Sales Management Department der Ruhr-Universität Bochum und als Gastprofessor an der ESMT Berlin sowie der Loughborough University (UK) tätig. Er ist wissenschaftlicher Beirat von Prof. Schmitz & Wieseke – Sales Management Consulting, einer vertriebsfokussierten Managementberatung. Er ist Autor des 2022 erschienenen Buchs "Die Sales Profit Chain – Wirkungsketten verstehen – Vertrieb optimieren – Profitabilität steigern". Es bietet einen Überblick über Kennzahlen in der Sales Profit Chain, anwendungsorientierte Beispiele sowie einen Schnelltest zur Einschätzung des Reifegrads Ihres Kennzahlensystems. Mehr Informationen und einen Blick ins Buch finden Sie auf der Buchwebsite.
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