Rz. 121
Ein zwingendes öffentliches Interesse besteht an einer Offenbarung auch, wenn diese zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen erforderlich ist. Es muss sich um unwahre Tatsachenbehauptungen handeln, die das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verwaltung erheblich erschüttern können. Obwohl dies im Wortlaut nicht ausdrücklich gesagt ist, wird vertreten, dass unter "Verwaltung" nur die Finanzbehörden und die sonstigen mit der Verwaltung von Steuern befassten Stellen zu fassen seien. Dafür spreche die bereichsbezogene Entscheidungsbefugnis der obersten Finanzbehörden.
Dieser Einschränkung der Öffnungsregel des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c AO kann m. E. nicht gefolgt werden. Es besteht keine Ranghierarchie der Verwaltungszweige in der Art, dass amtsbekannte Tatsachen genutzt werden könnten, die eigene Verwaltung zu schützen, dagegen aber das Vertrauen in andere Verwaltungszweige, insbesondere das Vertrauen in Polizei- und Ordnungsbehörden, sowie Gerichte und Staatsanwaltschaften oder auch Wahlbehörden nicht wieder herstellen zu dürfen. Es kann hier nur auf das Vertrauen in staatliche Institutionen insgesamt, das im Ergebnis das Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis prägt, ankommen. Eine Einengung des Schutzzwecks der Offenbarungsbefugnis auf eine "pro domo Verwaltung" wird der Bedeutung dieser Regelung nicht gerecht.
Es müssen Fälle von solchem Gewicht sein, dass eine Unterrichtung der Öffentlichkeit unumgänglich ist. Die Vorschrift soll nicht dazu dienen, die Ehre der Verwaltung zu retten, sondern das Vertrauen der Allgemeinheit in die ordnungsmäßige Arbeit der Verwaltung und damit in die rechtsstaatliche Gewalt Exekutive zu erhalten. Nicht entscheidend ist dabei, ob der Betroffene oder eine andere Person die unwahren Tatsachen in der Öffentlichkeit verbreitet hat. Nur soweit dies zur Richtigstellung erforderlich ist, darf offenbart werden. Ist die unwahre Behauptung nach Inhalt oder Art ihres Vorbringens nicht geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung erheblich zu erschüttern, bedarf es keiner Richtigstellung. Insbesondere wenn nicht die betroffene Person die unwahren Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat, müssen ihre Interessen bei der Richtigstellung streng beachtet werden. Nur die zur Richtigstellung erforderlichen Angaben dürfen gegenüber der Öffentlichkeit gemacht werden. Zur Frage der Anwendung der Nr. 5 Buchst. c auf die Aktenvorlage an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss u. ä. vgl. Rz. 128 ff.
Rz. 122
Zum Schutz des Betroffenen, aber zulasten der Wirksamkeit des Instruments sieht Nr. 5 Buchst. c vor, dass die Entscheidung über die Richtigstellung die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem BMF zu treffen hat, und zwar regelmäßig (Ermessensentscheidung) nach Anhörung des Stpfl. Diese Regelung macht andererseits das Verfahren der Richtigstellung so schwerfällig, dass es in der Praxis kaum oder nur in seltenen Anwendungsfällen ausgeübt werden dürfte. Die Richtigstellung dürfte dadurch auch so spät kommen, dass eine einmal eingetretene Vertrauenserschütterung schwer zu beseitigen sein wird.
Rz. 123
§ 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c AO schließt aber Notwehrhandlungen im Einzelfall nicht aus. Wird ein Amtsträger durch den Stpfl. durch bewusst unrichtige Angaben in der Öffentlichkeit in seiner Ehre verletzt, so kann die erforderliche Richtigstellung trotz § 30 AO, § 355 StGB ggf. im Einzelfall rechtmäßig sein. Die Frage der Notwehr bzw. des rechtfertigenden Notstands für den angegriffenen Amtsträger kann durch § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c AO nicht negativ geregelt sein, da sie eine Frage des persönlichen, nicht dagegen des öffentlichen Interesses ist. Der Amtsträger bewegt sich hier aber angesichts des § 355 StGB in einem sehr sensiblen Raum mit hohen persönlichen Risiken. In der Regel dürfte hier die von seiner Dienststelle gestellte Strafanzeige gegen den Verleumder die bessere Wahl sein.