1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 308 AO stellt Kollisionsregeln für die Fälle einer mehrfachen Pfändung von Sachen auf. Zu einer solchen Mehrfachpfändung kann es insbesondere in den Fällen einer Anschlusspfändung kommen, die in § 307 AO geregelt ist.[1] § 308 AO ähnelt von seiner Funktion und teilweise auch von seinem Wortlaut § 827 ZPO, der Regelungen zur Verwertung bei mehrfacher Pfändung für das zivilprozessuale Vollstreckungsrecht trifft.[2] Da § 308 AO jedoch auch Regelungen für die Kollision zwischen einer Pfändung nach der AO und einer Pfändung nach der ZPO aufweist und zudem Pflichten für den Gerichtsvollzieher bestimmt, ergänzt diese Vorschrift somit die ZPO.[3] Eine ähnlich ausgestaltete Vorschrift gab es bereits in § 360 RAO.[4]

[1] Zu Einzelheiten s. Erl. zu § 307 AO.
[2] Becker, in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 827 PZO Rz. 2ff.
[3] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 308 Rz. 1.
[4] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 308 AO Rz. 1.

2 Mehrfache Pfändung

 

Rz. 2

Eine mehrfache Pfändung kann sich ergeben aus nacheinander erfolgten Erstpfändungen, bei Anschlusspfändungen i. S. d. § 307 AO, aber auch – wie sich aus § 308 Abs. 5 AO herleiten lässt – bei gleichzeitigen Pfändungen.[1] Die Pfändungen können dabei durch Vollziehungsbeamte der Finanzverwaltung, aber auch Vollziehungsbeamte der Gemeinden oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder Gerichtsvollzieher erfolgen.

[1] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 308 AO Rz. 6.

3 Versteigerung bei mehrfacher Pfändung

 

Rz. 3

§ 308 Abs. 1 AO bestimmt zunächst die gerichtliche Zuständigkeit für die Versteigerung einer mehrfach gepfändeten Sache. Diese richtet sich danach, welcher Vollziehungsbeamte oder Gerichtsvollzieher die Sache zuerst gepfändet hat. Eine hiervon abweichende Bestimmung kann bei Zustimmung aller Beteiligten, also auch des Schuldners, jedoch getroffen werden.[1] Keine entsprechende Regelung findet sich in der AO allerdings zu § 827 Abs. 1 S. 1 ZPO, der es ermöglicht, dass auf Anordnung des Vollstreckungsgerichts ein anderes Gericht zuständig wird.[2]

 

Rz. 4

Zu beachten ist, dass § 308 Abs. 5 AO, der für den Fall einer gleichzeitigen Pfändung § 308 Abs. 2 – 4 AO für anwendbar erklärt, nicht auf den ersten Absatz verweist. Dies bedeutet, dass im Fall einer gleichzeitigen Pfändung keine Zuständigkeitsregel besteht. Somit richtet sich die Zuständigkeit in diesen Fällen danach, welcher Gerichtsvollzieher oder Vollziehungsbeamte als erster die Verwertung der gepfändeten Sache betreibt.[3]

 

Rz. 5

Das Recht, die Versteigerung einer mehrfach gepfändeten Sache zu verlangen, hat nach § 308 Abs. 2 AO jeder Gläubiger.[4] Die von ihm geforderte Versteigerung erfolgt dann jedoch nicht nur zur Befriedigung seiner Forderung, sondern im Interesse aller beteiligten Gläubiger. Dies bedeutet, dass etwa ein Anschlusspfändender die Verwertung einer mehrfach gepfändeten Sache auch dann verlangen kann, wenn offensichtlich der Erlös der Versteigerung nicht einmal ausreicht, um die erstrangig gesicherte Forderung zu befriedigen.[5] Andererseits darf auch die Verwertung mehrerer mehrfach gepfändeter Sachen erst dann eingestellt werden, wenn der Erlös alle Gläubiger hinsichtlich ihrer Forderungen befriedigt.

[1] Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 827 ZPO Rz. 3; Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 308 Rz. 3.
[2] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 308 AO Rz. 1.
[3] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 308 AO Rz. 2.
[4] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 308 Rz. 4.
[5] S. auch Abschn. 51 Abs. 2 VollzA; einschränkend Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 308 AO Rz. 3; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 308 AO Rz. 12.

4 Verteilungsverfahren

 

Rz. 6

Hinsichtlich der Verteilung des Erlöses bestehen unterschiedliche Regelungen, je nachdem, ob der Erlös zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht oder nicht. Grundsätzlich wird dabei im Fall einer Anschlusspfändung nach § 308 Abs. 3 AO der Erlös in der Reihenfolge der Pfändungen verteilt. Eine abweichende Regelung kann durch alle Gläubiger getroffen werden. Bei mehrfachen Pfändungen, die sich nach § 308 Abs. 5 AO ergeben haben, also bei gleichzeitigen Pfändungen, wird der Erlös hingegen im Verhältnis der Forderungen verteilt, da die Forderungen der Pfandgläubiger in diesem Fall als gleichwertig anzusehen sind.[1]

 

Rz. 7

Reicht der Erlös nicht aus, um alle Forderungen zu befriedigen, und verlangt ein Gläubiger, für den die zweite oder eine spätere Pfändung erfolgt ist, eine abweichende Verteilung des Erlöses, bestimmt § 308 Abs. 4 AO ein besonderes Verteilungsverfahren.[2] Die gepfändete Sache ist dabei bei dem Gericht, in dessen Bezirk die Pfändung erfolgt ist, zu hinterlegen, wobei dem Gericht die Sachlage darzustellen ist. Einzelheiten des dann durchzuführenden gerichtlichen Verteilungsverfahrens ergeben sich aus §§ 873 – 882 ZPO, auf die in § 308 Abs. 4 S. 3 AO verwiesen wird.[3]

 

Rz. 8

Die Kosten der Versteigerung sind vor der Verteilung des Verwertungserlöses abzuziehen.[4] Die übrigen Kosten teilen den Rang der jeweiligen Pfändung.[5]

[1] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 308 AO Rz. 20.
[2] Hierzu ausführlich Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 308 AO R...

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