1.1 Gegenstand und Zweck der Vorschrift
Rz. 1
§ 31b AO ist in Verbindung mit § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO eine Öffnungsnorm zum Steuergeheimnis des § 30 AO zugunsten der Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Die Vorschrift ist in ihrer ursprünglichen Fassung 2002 in die AO eingefügt worden. Mitteilungsbefugnis und -pflicht nach § 31b AO sind durch das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz auf die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung ausgeweitet worden.
Durch das JStG 2010 wurde § 31b AO aufgrund internationalen Drucks um die Pflicht zur Offenbarung hinsichtlich bestimmter Bußgeldtatbestände erweitert.
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen wurde auch die Regelung des § 31b AO in Anlehnung an die mit diesem Gesetz vorgenommene vollständige Neufassung des Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz –GwG) vollständig überarbeitet und neu gefasst. Dabei wurden zugleich auch Erweiterungen des Anwendungsbereichs vorgenommen.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes u. a. Vorschriften wurde das steuerverfahrensrechtliche Datenschutzrecht mit Wirkung vom 25.5.2018 den Anforderungen der DSGVO angepasst. Dementsprechend waren auch in § 31b AO, wie im gesamten nationalen Verfahrensrecht, auch die verfahrensrechtlichen Begrifflichkeiten an die in der DSGVO europaweit einheitlich definierten Begriffe anzupassen. In § 31b Abs. 1 AO wurde dementsprechend im einleitenden Satzteil der Begriff "Verhältnisse" durch den Begriff "Daten" ersetzt. Diese Änderung sollte nach Darstellung in der Gesetzesbegründung keine materielle Neuregelung zur Folge haben, sondern nur redaktioneller Art sein. Mit dem 2. DSAnpUG-EU wurde in § 31b Abs. 1 AO der Begriff des "Betroffenen" durch den der "betroffenen Person" ersetzt. Dies diente lediglich der Anpassung der Begrifflichkeit an die Terminologie der DSGVO und beinhaltete keinen materiellen Regelungsgehalt.
Mit Wirkung vom 1.1.2020 nahm der Gesetzgeber u. a. eine Änderung in § 45 GwG vor, die er in § 31b AO nicht nachvollzog (Rz. 60a).
Mit dem Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche, das das strafrechtliche Regelwerk deutlich ausweitete und zugleich die am 2.12.2018 in Kraft getretene Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche umsetzte, erfolgte zwar keine (formale) Änderung des § 31b AO. Der Regelungsgehalt wurde aber dessen ungeachtet – vielleicht ohne, dass der Gesetzgeber sich der Steuergeheimnisbezogenheit seiner strafrechtlichen Regelung bewusst war – massiv ausgeweitet. Durch die weitgehend schrankenlose Ausgestaltung des § 261 StGB, mit der der ursprüngliche Zweck des Geldwäschetatbestands, die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen, vollständig entfallen ist, wurde der diese Strafnorm mittelbar in Bezug nehmende § 31b AO (vermeintlich) mit der gleichen Schrankenlosigkeit ausgeweitet. Dass § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO für nationale Regelungen von Öffnungsklauseln zum Steuergeheimnis – mit gutem Grund – eine ausdrückliche und eindeutige Anordnung des Gesetzgebers voraussetzt, dass er die Schutzinteressen der betroffenen Personen bewusst hinter dem Regelungsinteresse der neuen Öffnungsnorm zurücktreten lassen will, hilft hier nicht, da die dynamische Öffnung über eine mittelbar in Bezug genommene Strafnorm durch den historischen Gesetzgeber bereits Teil der Öffnungsnorm des § 31b AO ist und so deren Schutzmechanismus für die Eingrenzung der Öffnung des Steuergeheimnisses (vermeintlich) "pulverisiert" wird (vgl. Rz. 4ff.).
Mit dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz wurden schließlich zwei Absätze zu besonderen Bereitstellungs- und Abrufbefugnissen von geschützten Daten aus dem Besteuerungsverfahren – unter Beachtung der Regeln des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO – in den § 31b AO eingefügt, ohne dass der Gesetzgeber auf die zuvor indirekt erfolgte Ausweitung des Tatbestands des § 31b AO durch die zuvor erfolgte Neufassung des § 261 StGB reagierte. Ob der Gesetzgeber eine Eingrenzung der nun nach dem Wortlaut bestehenden Ausweitung der Öffnungsnorm des §§ 30 Abs. 4 Nr. 2, 31b AO i. V. m. § 1 Abs. 1 GwG, § 261 StGB selbst vornehmen wird, bleibt abzuwarten.
Rz. 2
Seitens der Rechtsliteratur wird vielfach eingewendet, dass § 31b AO zu unbestimmt erscheine und seine Anwendung durch hierfür nicht geschulte Finanzbeamte im Massenvollzug der Steuergesetze wenig praktikabel sei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung überforderten angesichts der knappen Zeitfenster für die eigentliche Veranlagungstätigkeit Amtsträger im Veranlagungs- und häufig auch im Außenprüfungsdienst. Angesichts des Wegfalls des Vortatenkatalogs des Geldwäschetatbestands (Rz. 1) wird man die Auffassung der Kompliziertheit der Subsumtion unter den Tatbestand des § 31b AO i. V. m. § 261 StGB nun mö...