1 Zweck und Gliederung des dinglichen Arrestverfahrens
Rz. 1
Der dingliche Arrest dient nach § 324 Abs. 1 S. 1 AO der Sicherung der künftigen Vollstreckung von Geldforderungen aus dem Steuerschuldverhältnis, die zzt. noch nicht vollstreckbar sind.
Rz. 1a
Das dingliche Arrestverfahren gliedert sich in zwei rechtlich getrennt zu betrachtende Verfahrensabschnitte:
- die Arrestanordnung, d. h. die Schaffung der rechtlichen Grundlage für das Arrestverfahren, und
- die Arrestvollziehung, d. h. die Vollstreckung der Arrestanordnung zum Zweck der Anspruchssicherung.
2 Arrestanordnung
2.1 Rechtsnatur
Rz. 2
Die Anordnung des dinglichen Arrests ist ein selbstständiger Verwaltungsakt. Er enthält die Feststellung, dass – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – ein Geldanspruch besteht und für diesen Anspruch ein Sicherungsbedürfnis gegeben ist.
Die Arrestanordnung ist i. S. v. § 218 Abs. 1 AO Grundlage der Verwirklichung des Arrestanspruchs. Sie ist entsprechend dem Zweck des Arrests eine besonders gestaltete Form einer vorläufigen Steuerfestsetzung. Demgemäß entfaltet die Anordnung für sich noch keine Sicherungswirkung. Sie ist nur Grundlage für die Vollstreckung i. S. v. § 251 Abs. 1 AO, d. h. der Arrestvollziehung.
2.2 Materielle Voraussetzungen
2.2.1 Arrestanspruch
Rz. 3
Die Anordnung des dinglichen Arrests setzt zunächst das Bestehen eines Arrestanspruchs voraus, also nach § 324 Abs. 1 S. 1 AO eines Anspruchs auf eine Geldforderung, deren Vollstreckung nach den §§ 249–323 AO erfolgt. Nach den §§ 249–323 AO können nur öffentlich-rechtliche Geldforderungen vollstreckt werden, über die durch einen Verwaltungsakt zu entscheiden oder entschieden worden ist bzw. die durch eine Steueranmeldung nach § 168 AO als festgesetzt gelten. Für die Sicherung zivilrechtlicher Geldforderungen muss die Finanzbehörde ein Arrestverfahren nach § 916 ZPO beantragen.
Rz. 3a
Aus dieser ausdrücklichen Bezugnahme auf die §§ 249–323 AO folgt, dass die Forderung – anders als nach § 916 Abs. 1 ZPO – unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sein muss. Für sonstige Leistungen, die nach den §§ 328ff. AO vollstreckt werden, kann demgemäß ein Arrest nach § 324 AO nicht angeordnet werden, auch dann nicht, wenn sie später in eine Geldforderung übergehen könnten.
Rz. 4
Geldforderungen i. d. S. sind zunächst alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. v. § 37 AO. Hierzu zählen z. B.:
Rz. 4a
Geldforderungen i. d. S. sind ferner auch im Steuerordnungswidrigkeitenverfahren durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid festgesetzte – aber noch nicht vollstreckbare – Bußgelder, die Kosten des Bußgeldverfahrens sowie die Kosten und Ordnungsgelder des finanzgerichtlichen Verfahrens.
Rz. 5
Die Anordnung des Arrests erfolgt, wie die Steuerfestsetzung (Vor §§ 324–326 AO Rz. 1), für einen bestimmten Anspruch, der nicht vollstreckbar sein darf. Eine vorläufige Sicherung der künftigen Vollstreckung ist nicht erforderlich, wenn die Vollstreckung des Anspruchs sofort durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung eines vollstreckbaren Verwaltungsakts dürfen nicht erfüllt sein. Der Grund für das Fehlen der Vollstreckbarkeit ist unerheblich.
Rz. 6
Nach § 324 Abs. 1 S. 2 AO kann der Arrest auch angeordnet werden, wenn der Anspruch noch nicht zahlenmäßig feststeht. Der Anspruch muss also noch nicht durch einen Bescheid oder Verwaltungsakt i. S. v. § 218 Abs. S. 1 AO festgesetzt sein. Er muss nur "begründet" sein. "Begründet" i. d. S. ist der Anspruch, wenn er aufgrund des anzunehmenden Sachverhalts i. S. v. § 38 AO entstanden ist, oder – den anzunehmenden Sachverhalt als zutreffend unterstellt – zukünftig entstehen würde. Die Finanzverwaltung arrestiert auch Ansprüche, die aufgrund der Abschnittsbesteuerung noch nicht entstanden sind, weil der Besteuerungszeitraum noch nicht abgelaufen ist. Das Steuerschuldverhältnis muss bei dem anzunehmenden Sachverhalt inhaltlich bestimmbar sein.
Rz. 6a
Der Anspruch muss allerdings im Steuerfestsetzungsverfahren realisierbar sein. Kann der Anspruch aus Rechtsgründen nicht mehr festgesetzt werden, z. B. durch Eintritt der Festsetzungsverjährung, so darf die Arrestanordnung nicht erlassen werd...