Rz. 45
Nach Art. 78 Abs. 1 DSGVO kann jede natürliche oder juristische Person gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss einer Datenschutzaufsicht einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf einlegen. Dieses Recht steht den betroffenen Personen neben einem "verwaltungsrechtlichen" Rechtsbehelf offen. Es besteht somit die Möglichkeit, dass das gleiche Anliegen auf zwei unterschiedlichen Wegen verfolgt wird. Je nach dem konkreten Einzelfall kann es dazu kommen, dass für die Klagen unterschiedliche FG örtlich zuständig sind.
Rz. 46
Die betroffene Person kann sich z. B. mit einem Auskunftsantrag nach Art. 15 DSGVO an das für sie zuständige FA wenden. Von diesem erhält sie die Auskunft über den wesentlichen Teil der dort verarbeiteten personenbezogenen Daten. Zu einem geringen Teil der Daten verweigert das FA jedoch die Auskunft nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32a Abs. 1 AO. Die betroffene Person klagt gegen das FA auf Auskunft im Hinblick auf die noch fehlenden Angaben. Örtlich zuständig ist insoweit das FG, in dessen Bezirk das FA seinen Sitz hat. Gleichzeitig wendet sich die betroffene Person auch an die BfDI als die zuständige Datenschutzaufsicht und beschwert sich über die unzureichende Auskunft durch das FA. Die BfDI prüft den Sachverhalt und teilt der betroffenen Person mit, dass das FA zu Recht die Auskunft verweigert hat. Gegen diese Entscheidung geht die betroffene Person gerichtlich vor. Für die entsprechende Klage ist jetzt allerdings das FG Köln (Sitz der BfDI) zuständig. Der nämliche Sachverhalt würde damit von zwei unterschiedlichen FG beurteilt. Erschwerend kommt hinzu, dass diese i. d. R. keine Kenntnis voneinander haben.
Rz. 47
Das geltende Recht sieht keine Regelung zur Auflösung dieses Zuständigkeitskonflikts vor. Es kann somit zu divergierenden Gerichtsentscheidungen im Hinblick auf den gleichen Streitgegenstand kommen. Es wäre m. E. sinnvoll, wenn der Gesetzgeber zur Auflösung dieses Konflikts eine gesonderte Regelung im § 32i AO oder der FGO aufnehmen würde. So könnte das Verfahren gegen den Beschluss der Datenschutzaufsicht als das führende Verfahren definiert werden. D.h. werden datenschutzrechtlichen Klageverfahren nach § 32i Abs. 2 AO bei anderen FG geführt müsste das Gericht im Vorfeld prüfen, ob gegen einen rechtsverbindlichen Beschluss der Datenschutzaufsicht ein Verfahren anhängig ist. In diesem Fall sollte das Verfahren an das FG Köln abgegeben werden.
Rz. 48
Dies entspricht weitgehend dem Vorgehen bei einem grenzüberschreitenden gerichtlichen Zuständigkeitskonflikt i. S. d. Art. 81 DSGVO. Hat demnach ein mit einem Verfahren gegen die Entscheidung einer Datenschutzaufsicht befasstes Gericht Anlass zu der Vermutung, dass ein dieselbe Verarbeitung betreffendes Verfahren – etwa zu demselben Gegenstand in Bezug auf die Verarbeitung durch denselben Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter oder wegen desselben Anspruchs – vor einem zuständigen Gericht in einem anderen Mitgliedstaat anhängig ist, so ist zunächst eine Kontaktaufnahme mit dem anderen Gericht angezeigt. Sind gleiche Verfahren anhängig, so kann jedes später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen oder sich auf Anfrage einer Partei auch zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig erklären.