Rz. 32
Der Umfang der Verpflichtung ergibt sich zunächst aus dem Umfang der Pflichten der vertretenen Person bzw. des Gebildes (Steuersubjekte), für die die verpflichtete Person zu handeln hat. Nur soweit der Vertretene steuerlich verpflichtet ist, können auch die Personen des § 34 AO verpflichtet sein. So hat der atypische stille Gesellschafter trotz seiner Mitunternehmerstellung i. S. d. § 15 Abs. 2 EStG im Umsatzsteuerrecht mangels Auftretens der Gesellschaft nach außen keine umsatzsteuerlichen Verpflichtungen nach § 34 AO. Nichtsteuerliche Pflichten scheiden für eine Anwendung des § 34 AO aus.
Rz. 33
Die Vertreter haben steuerliche Pflichten auch nur insoweit zu erfüllen, wie sie rechtlich dazu in der Lage sind. Hiernach erstreckt sich z. B. die Pflicht der Eltern, deren minderjähriges Kind zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts oder zur Eingehung eines Arbeitsverhältnisses ermächtigt ist, nur auf die außerhalb dieser Bereiche liegenden steuerlichen Pflichten des Kindes (Rz. 7). Bei einer Ermächtigung zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts nach § 112 BGB haben die Eltern keine steuerlichen Pflichten hinsichtlich der USt, GewSt und der Einbehaltung und Abführung der Steuerabzugsbeträge, während sie für die ESt die Pflichten nach § 34 Abs. 1 AO zu erfüllen haben. Der Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung geht über das Arbeitsverhältnis hinaus, zu dem der Minderjährige ermächtigt worden ist. Soweit im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung Pflichten auftreten (z. B. Empfangnahme des Bescheids), sind sie vom gesetzlichen Vertreter zu erfüllen.
Rz. 34
Bei Eintritt in die Funktion des Verpflichteten nach § 34 AO wird die Person mit allen Pflichten des Vertretenen belastet, auch wenn diese schon aus der Zeit stammen, die vor dem Eintritt lag. Da der Vertretene diese Pflichten noch hat, obliegen sie auch dem Eingetretenen. Beim Ausscheiden des Verpflichteten bleiben die bereits entstandenen Verpflichtungen grundsätzlich bestehen. Wegen der häufigen tatsächlichen Schwierigkeiten zur Erfüllung der Pflichten nach dem Ausscheiden enthält § 36 AO jedoch Beschränkungen hierzu.
Rz. 35
Sind mehrere verpflichtete Personen vorhanden (z. B. mehrere Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder), so haben sie nebeneinander die Pflichten aus § 34 Abs. 1 AO. Dies gilt auch dann, wenn im Kreis der verpflichteten Personen im Weg der Arbeitsteilung die Aufgaben verteilt und nur eine oder zwei dieser Personen für den Bereich der Steuern zuständig sind, während die übrigen Geschäftsführer andere Aufgaben wahrnehmen. Sobald und solange sie Personen nach § 34 Abs. 1 AO sind, besteht für sie alle die steuerliche Verpflichtung nicht nur als gemeinschaftliche Verpflichtung, sondern als individuelle Verpflichtung jedes Einzelnen.
Die zivilrechtlich vereinbarte Ausgestaltung des Tätigkeitsfelds kann keine steuerlich wirksamen Verpflichtungsbeschränkungen hervorrufen. Das FA kann sich daher grundsätzlich an jede der Personen halten, so z. B. auch an die für den technischen Bereich zuständigen Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder. Eine ganz andere – meist zu verneinende – Frage ist diejenige, ob bei Nichterfüllung steuerlicher Pflichten seitens eines Stpfl. auch die Voraussetzungen für die Haftung nach § 69 AO bei denjenigen Verpflichteten erfüllt sind, in deren Aufgabenbereich die Steuerangelegenheiten nicht gehören und die von den Pflichtverletzungen der anderen, intern dafür zuständigen Verpflichteten nichts wussten. Die für das Verhältnis mehrerer Geschäftsführer entwickelten Grundsätze für die Möglichkeit einer Begrenzung der Verantwortlichkeit des gesetzlichen Vertreters gelten auch für die "Übertragung" steuerlicher Pflichten einer juristischen Person (z. B. eingetragener Verein) auf eine Abteilung. Auch für den Fall der Gesamtvertretung – z. B. Eltern, mehrere Geschäftsführer – obliegen die steuerlichen Pflichten jeder einzelnen der unter § 34 AO fallenden Personen. Maßgebend ist dafür nämlich nicht die Vertretungsmacht, sondern die Geschäftsführung. Schließlich ist es auch möglich, dass eine formal als Geschäftsführer tätige Person und ein faktischer Geschäftsführer nebeneinander verpflichtet sind.