Rz. 10
Das Recht, Verfahrenshandlungen für die Personenvereinigung vorzunehmen, besteht nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO für zur Vertretung berufene Geschäftsführer. Unerheblich ist die Geschäftsführungsbefugnis oder die Stellung als Gesellschafter oder Feststellungsbeteiligter.
Die Berufung erfolgt durch zivilrechtlichen Vertrag bzw. tritt als Rechtsfolge der geschlossenen Verträge nach den zivilrechtlichen Bestimmungen des BGB oder des HGB ein, wenn es sich bei dem Zusammenschluss um eine der dort geregelten Gesellschaftsformen handelt und keine ausdrückliche Regelung im Vertrag getroffen worden ist.
Rz. 10a
Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach den §§ 705 ff. BGB, die im finanzbehördlichen Verfahren beteiligungsfähig ist, bei der aber im Gesellschaftsvertrag keine Regelung zur Vertretung getroffen ist und demgemäß die Gesamtvertretungsbefugnis sämtlicher Gesellschafter nach §§ 709, 714 BGB gilt, sind sämtliche Gesellschafter als zur Vertretung berufene Geschäftsführer i. S. v. § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO anzusehen. Etwas anderes gilt nach der Rspr. des BFH bei Publikumsgesellschaften, wenn die Geschäftsführung und Vertretung allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht und keine Person vorhanden ist, die ein von den Gesellschaftern abgeleitetes, die gerichtliche Vertretung umfassendes Geschäftsführungs- und Vertretungsrecht erlangt hat. In dieser Situation fehlt es an Personen, die – entsprechend dem gesetzlichen Leitbild des vertretungsberechtigten Geschäftsführers – in der Lage sind, kurzfristig für die Gesellschaft zu handeln.
Rz. 10b
Bei einer atypisch stillen Gesellschaft ist die Beteiligtenfähigkeit auch hinsichtlich eines einheitlichen Feststellungsbescheids nicht gegeben. Auch ein Geschäftsführer ist für die Innengesellschaft nicht vorhanden, sodass § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO keine Anwendung findet. Damit ist der Inhaber des Handelsgeschäfts nicht der zur Vertretung berufene Geschäftsführer der stillen Gesellschaft. Die Einspruchsbefugnis hinsichtlich des Gewinnfeststellungsbescheids steht dem Inhaber des Handelsgeschäfts und jedem atypisch stillen Gesellschafter zu, sofern keine vertragliche Regelung getroffen worden oder nicht ein Einspruchsbevollmächtigter nach § 352 Abs. 2 AO vorhanden ist. Jedem Feststellungsbeteiligten steht nur die individuelle Einspruchsbefugnis nach § 352 Abs. 1 Nr. 3–5 AO zu.
Rz. 10c
Bei einer Bruchteilsgemeinschaft i. S. v. § 741 BGB, z. B. einer Grundstücksgemeinschaft, ist die Beteiligtenfähigkeit gegeben. Die Einspruchsbefugnis wird auch hier durch § 352 AO eingeschränkt. Allerdings folgt aus der gesetzlich vorgesehenen gemeinschaftlichen Geschäftsführung nach § 744 Abs. 1 BGB keine Vertretungsbefugnis und demgemäß keine Geschäftsführerbestellung i. S. v. § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO, sodass also regelmäßig alle Gemeinschafter einspruchsbefugt sind und nicht die Gemeinschaft selbst.
Rz. 10d
Verstirbt ein einspruchsbefugter Feststellungsbeteiligter, so geht die Einspruchsbefugnis auf seine Erben über. Die Einspruchsbefugnis für eine Miterbengemeinschaft am Anteil eines Feststellungsbeteiligten ergibt sich intern selbst wieder nach § 352 AO. Die Einspruchsbefugnis steht dabei regelmäßig allen Miterben zu. Dies hat zur Folge, dass im Fall des Einspruchs nicht aller Miterben die übrigen Miterben zu dem Verfahren notwendig hinzuzuziehen sind.