3.5.1 Anhängigkeit eines Rechtsbehelfs
3.5.1.1 Grundsatz
Rz. 62
Mit der AdV kann vorläufiger Rechtsschutz gegen angefochtene Verwaltungsakte erlangt werden (s. Rz. 2, 66). Der AdV-Antrag setzt also die Anhängigkeit eines zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens (Einspruch bzw. Anfechtungsklage) gegen den die Leistungspflicht begründenden Verwaltungsakt voraus, andernfalls ist ein entsprechender Antrag unzulässig. Die Anhängigkeit der Hauptsache ist inhaltlich nur gegeben, wenn eine Identität des Verfahrensgegenstands in beiden Verfahren vorliegt. Die AdV ist nur hinsichtlich des Verwaltungsakts zulässig, der Gegenstand der Anfechtung ist.
Wenn der ursprünglich angefochtene Verwaltungsakt geädert wird, so wird er gem. § 365 Abs. 3 AO auch Gegenstand des AdV-Verfahrens.
Die Anhängigkeit einer Verfassungsbeschwerde anstelle eines Einspruchs- oder Klageverfahrens bzw. nach einem solchen Verfahren begründet nicht die Zulässigkeit einer AdV.
Rz. 63
Der AdV-Antrag kann gleichzeitig mit der Anfechtung gestellt werden. Ohne Anfechtung des Verwaltungsakts kommt eine AdV nicht in Betracht. Die nachträgliche fristgerechte Einlegung des Einspruchs heilt die Unzulässigkeit eines vorzeitigen AdV-Antrags, der zunächst unzulässige AdV-Antrag wächst dann in die Zulässigkeit.
Teilweise wird vertreten, dass wenn ein AdV-Antrag vor Einlegung des Einspruchs gestellt wird, im Zuge der Auslegung zu unterstellen sei, dass inzident auch Einspruch eingelegt sei.
Auch ein Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO bzw. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO rechtfertigt nicht die AdV.
Rz. 64
Unmaßgeblich für die Zulässigkeit des AdV-Antrags ist das Stadium des anhängigen Einspruchs- oder Klageverfahrens, eine AdV kann auch im Revisionsverfahren vor dem BFH beantragt werden, insofern gibt es keine (eigene) Frist für den AdV-Antrag. Erforderlich ist auch nicht die Zulässigkeit des Verfahrens in der Hauptsache. Die Unzulässigkeit führt lediglich zur Unbegründetheit des AdV-Antrags.
3.5.1.2 Besonderheit bei Folgebescheiden (§ 361 Abs. 3 S. 1 AO)
Rz. 65
Ein Antrag auf AdV eines Folgebescheids erfordert nicht die Anfechtung des Folgebescheids, sondern nur die Anfechtung des erlassenen Grundlagenbescheids (s. Rz. 42). Für einen solchen AdV-Antrag hinsichtlich des Folgebescheids fehlt im Hinblick auf § 351 Abs. 2 AO i. d. R. das Rechtsschutzbedürfnis (s. Rz. 43), da die AdV des Grundlagenbescheids die AdV des Folgebescheids zur Folge hat. Ein Antrag auf AdV des Folgebescheids ist demgemäß unzulässig, wenn die AdV des Grundlagenbescheids beantragt und gewährt ist.
3.5.2 Anfechtung eines Verwaltungsakts
Rz. 66
Das anhängige Klage- bzw. Einspruchsverfahren und das AdV-Verfahren müssen sich gegen einen Verwaltungsakt i. S. v. § 118 AO richten. Fehlt der behördlichen Maßnahme die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts, so kommt ein AdV nicht in Betracht.
Rz. 67
Das AdV-Verfahren muss sich gegen einen erlassenen Verwaltungsakt richten. Die AdV kann nicht gewährt werden gegen die Ankündigung oder Erwartung eines behördlichen Verhaltens.
3.5.3 Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts
Rz. 68
Voraussetzung der AdV ist ferner die Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Bei nicht vollziehbaren Verwaltungsakten kann ein Antrag nach § 114 FGO auf einstweilige Anordnung in Betracht kommen.
Rz. 68a
Der AdV-Antrag ist nur zulässig, solange der Verwaltungsakt noch vollziehbar ist. Die aus dem Verwaltungsakt resultierende Pflicht darf noch nicht erfüllt oder aus einem sonstigen Grund erloschen sein (zur Vollziehbarkeit von Vorauszahlungsbescheiden s. Rz. 27, 28). Anderenfalls kann die Vollziehungswirkung nur durch eine Aufhebung nach § 361 Abs. 2 S. 3 AO beseitigt werden (s. Rz. 29). Vollziehbare Verwaltungsakte i. d. S. sind alle Verwaltungsa...