Rz. 12
Die Einspruchsrücknahme besteht in der Erklärung gegenüber der Finanzbehörde, dass das Ersuchen um Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsakts oder um Erlass eines unterlassenen Verwaltungsakts nicht weiter verfolgt werden soll.
Rz. 13
Die Rücknahmeerklärung muss inhaltlich klar und eindeutig sein. Es ist – entsprechend § 357 Abs. 1 S. 4 AO, auf den § 362 Abs. 1 S. 2 AO verweist – nicht zwingend erforderlich, dass die Rücknahme des Einspruchs ausdrücklich als Rücknahme bezeichnet wird. Der Wille des Erklärenden ist vielmehr erforderlichenfalls – entsprechend den Regeln in §§ 133, 157 BGB – durch Auslegung zu ermitteln. Die Erklärung des Stpfl. muss mit hinreichender Deutlichkeit darauf schließen lassen, dass das Einspruchsverfahren nicht weiterverfolgt werden soll. Entscheidend ist dabei, wie die Finanzbehörde in Kenntnis aller Umstände des Falls den objektiven Erklärungswert des Rücknahmeschreibens verstehen musste. Dabei sind auch solche Umstände einzubeziehen, die sich nicht aus dem Rücknahmeschreiben selbst ergeben, wenn diese der Finanzbehörde und ggf. anderen Verfahrensbeteiligten bekannt sind. So ist z. B. der Inhalt eines dem Schreiben vorangegangenen Telefonats mit dem Einspruchsführer oder seinem Steuerberater bei der Auslegung zu berücksichtigen.
Rz. 14
Da die Rücknahme des Einspruchs mit dem Ablauf der Einspruchsfrist zur Bestandskraft und damit zur Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts führt, ist bei verbleibenden Auslegungszweifeln regelmäßig zugunsten des Einspruchsführers anzunehmen, dass er seinen Einspruch nicht zurücknehmen wollte. Vor dem Hintergrund des Rechtsschutzverlustes ist m. E. – anders als bei der Einlegung des Einspruchs nach § 357 AO – auch entsprechend zurückhaltend mit einer Umdeutung der Erklärung des Einspruchsführers umzugehen. Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn die Erklärung des Einspruchsführers im Zusammenhang mit der Androhung einer Verböserung durch die Finanzbehörde steht. Notfalls hat die Finanzbehörde den tatsächlichen Willen des Einspruchsführers durch eine Rückfrage bei ihm zu ermitteln.
Die als Widerruf oder Anfechtung der Einspruchseinlegung bezeichnete Erklärung des Einspruchsführers wird man aber ohne Weiteres als Einspruchsrücknahme auslegen können, wenn er damit deutlich zu verstehen gibt, dass er doch keine Einwendungen gegen den angefochtenen Verwaltungsakt vorbringen möchte und dieser nicht mehr von der Finanzbehörde überprüft werden soll. Gleiches gilt, wenn der Einspruchsführer nach Einlegung eines Einspruchs einen Einspruchsverzicht erklärt.
Rz. 15
Sind mehrere Einspruchsverfahren wegen verschiedener Verwaltungsakte anhängig, so muss sich aus der Rücknahmeerklärung zweifelsfrei ergeben, welches Einspruchsverfahren beendet werden soll. Das ist insbesondere bei Einspruchsverfahren gegen Grundlagen- und Folgebescheide bedeutsam. Eine unzureichende Konkretisierung führt zur Unwirksamkeit der Rücknahme.
Rz. 16
Die Rücknahmeerklärung darf als verfahrensrechtliche Willenserklärung nicht unter einer Bedingung erfolgen. Sie ist damit unwirksam, wenn ihre Wirkung von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängig gemacht wird. Ein solches ungewisses Ereignis wird nicht angenommen, wenn es von der Finanzbehörde herbeigeführt werden kann (sog. "unechte" Bedingung). Allerdings setzt dies voraus, dass die Finanzbehörde nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich die Möglichkeit hat, über den Antrag, an den die Bedingung anknüpft, zugunsten des Einspruchsführers zu entscheiden.
Die Rücknahme eines Einspruchs unter der Bedingung, dass der angefochtene Verwaltungsakt in einer bestimmten Weise geändert wird, ist somit zulässig. Sie wird allerdings nur wirksam, wenn die beantragte Änderung von der Finanzbehörde auch tatsächlich durchgeführt wird.